Marie Luise Habicher, Herzauswärts

Buch-Cover

Pure Lyrik ist rar, offensichtlich vertraut kein Herausgeber der bloßen Lyrik, weshalb ein echter Lyrikband in unseren Breitengraden fast immer mit Vorwörtern anfängt.

Marie Luise Habicher muss gleich in zwei Vorwörter beißen, ehe sie loslegen kann. Einmal erklärt Gerald Kurdoglu Nitsche, dass Vielsprachigkeit eine tolle Sache ist, und wenn es doch einsprachig zugeht, dann sollte es wenigstens vom Rand stammen:

Schön ist seine Einschätzung, dass die Germanistik durchgehend enttäuschend ist, dass man aber als Deutschlehrer Chancen hat, gute Literatur zu entdecken, wenn die Schülerinnen gut dichten. So gilt Gerald K. Nitsche als Entdecker und Förderer von Maria Luise Habicher, Peter Peintner, Jürgen Schäfer und Raoul Schrott.

Im zweiten Vorwort ruft der regierende Landesjugendreferent der Welt zu: Es lebe die Poesie! Ein drittes Vorwort würde vermutlich doch den einen oder anderen Leser abgeschreckt haben, weshalb dieses in Gestalt eines Nachwortes angelegt ist. In diesem Nachwort erklärt die Autorin, dass sie ein Leben lang Lyrik geliebt hat und die ersten Lyrikerfahrungen in der Kirche sammeln durfte. So, aber zwischen diesen Erklärungen gibt es dann tatsächlich Gedichte aus drei Jahrzehnten.

Der Unterschied zwischen den frühen und den späten Gedichten besteht darin, dass die früheren mehr sind. Offensichtlich hat die Autorin in den letzten Jahren spärlicher geschrieben. Die Themen sind gleich geblieben: Natur, Jahreskreis, Stimmungen an ausgesetzten Plätzen und lyrische Aufhellungen als Kontrast zu einem amorphen Ambiente.

Immer wieder brechen Übersetzungen ins Französische in den Textablauf ein, manchmal als zweiter Längsbalken zum Originalgedicht gesetzt, dann wieder als Worttraube unter die deutsche Fassung platziert. Zumindest als graphisches Element überzeugen diese Übersetzungen auf Anhieb, aber auch beim Vorlesen dürfte der Switch in eine andere Kultur beeindruckend sein.

Lyrik wird dabei zu einem Schalthebel mit dem sich Empfindungsströme umlenken lassen. ?

Die Amseln auf den Dächern / kalt und schwarz im Wind / durch das Fenster dringt / das stumme Regentropfen / nicht müde werden nicht geduldlos /augeinwärts fallen die Blicke / herzauswärts die Stummheit der Sprache? (66)

Immer wieder fixiert Marie Luise Habicher grobkörnige Eindrücke in einer scharfen Lauge der Innerlichkeit, lose lyrische Chiffren formen sich beinahe zu einem Sinnspruch, dann fallen sie wieder in die Einzelteile zurück, sei es, weil sich die Sprache einigelt , sei es, weil die Eindrücke zu groß sind für die Sinnesorgane.

Was bleibt, ist ein seltsamer Gefühlsklang unterlegt von der Neugierde, noch einmal hinzusehen, was da war. Aber für diese gewissen Herzschläge der Stummheit gibt es kein zweites Mal. ?Und dann geht und klingt es vorbei / mit jedem Schritt / wächst das Alleinsein.? (67)

Marie Luise Habicher: Herzauswärts. Die Stummheit der Sprache. Gedichte aus drei Jahrzehnten: Skulpturen und Zeichnungen von Monika Migl-Frühling.
Landeck: EYE-Literaturverlag 2004. ( = Neue österreichische Lyrik; 1). 87 Seiten. EUR 19,-. ISBN 3-901735-14-3.

 

Helmuth Schönauer, 03-02-2005

Bibliographie

AutorIn

Marie Luise Habicher

Buchtitel

Herzauswärts. Die Stummheit der Sprache. Gedichte aus drei Jahrzehnten.

Erscheinungsort

Landeck

Erscheinungsjahr

2004

Verlag

EYE-Literaturverlag

Illustration

Monika Migl-Frühling

Seitenzahl

87

Preis in EUR

EUR 19,-

ISBN

3-901735-14-3

Kurzbiographie AutorIn

Marie Luise Habicher, geb. 1956 in Fließ, lebt in Innsbruck.