Lina Hofstädter, Ausapern

Buch-Cover

Ein guter Krimi erzählt immer beides, die Aufregung, die den Alltag unterbricht, und den Alltag, der geradezu um eine Aufregung bettelt.

In Lina Hofstädters Kriminalroman gibt es vordergründig nur paradiesische Zeiten, der erste Abschnitt spielt in den Weihnachtsferien, der zweite in den Semesterferien. Und auch sonst liest sich der erste Teil wie ein Zitat aus spannenden Jugendbüchern nach dem Konzept Fünf Freunde und die Dorfidylle.

Alle im Bergzwergdorf Umbres sind busy und werkeln glücklich vor sich hin, in den Gasthäusern wird am Feierabend gebechert, Hochwürden kratzt sich ein wenig, ehe er die Predigt vorbereitet, und in den Krämerläden gibt es neben den Waren ordentliche Bedienung und Gespräche. Aber ?Ausapern? ist ein Krimi, der es auf Spannung abgesehen hat. Mitten in der Alpenidylle taucht zuerst eine Waffe auf, dann die passende Leiche und schließlich die aufklärende Geschichte.

Die Kinder entdecken zuerst einen Karabiner aus dem Zweiten Weltkrieg und werden in das historische Grundwissen über die damalige Zeit eingeschult. Bereits in diesem Zustand knarrt es im sozialen Gebälk der Ortsgemeinschaft, alte Waffen sind nämlich nicht bloß per se gefährlich, sie erzählen auch ständig einen gefährlichen Metatext, der gerade mühselig vertuscht worden ist.

Im nächsten Schritt erblassen die Kids, als sie eine ordentliche Leiche entdecken. Jetzt gibt es nichts mehr zu vertuschen, die Gendarmerie beginnt zu ermittelt und allerhand Verstrickungen werden sichtbar. Im Showdown der Aufklärung schließlich lösen die Dorfbewohner selbst den Fall, denn nur mit Insiderwissen lassen sich die wahren Zustände im Ort bloß legen.

Selbstverständlich wimmelt es nur so von falschen Fährten. Münchner Kids frönen am Wochenende so mancher Orgie, politische Möchtegernfrüchtchen lassen zwischendurch im Ort die Geschlechtsorgane ausapern und telefonieren mit der Großstadt, ob sie in der neuen Regierung Platz hätten. In einer Villa laufen schließlich Spuren aus der Nazizeit zusammen, es geht um Zwangsarbeiter, die offensichtlich spät entschädigt werden sollen, und um grosskopferte Historiker, die aus der Stadt kommen, und den Landfrieden heftig stören.

Lina Hofstädter erzählt in großen Bögen und fügt jeweils in den Trash der Figuren große politische Überlegungen ein. Die alpinen Figuren neigen durchaus zur Skurrilität und es fehlt ihnen nicht an einem vertrottelten Touch, aber wenn es drauf ankommt, klären sie alles auf und haben auch ein politisches Bewusstsein mit Erfolg in der Hinterhand. Ausapern ist eine ausreichend spannende Geschichte, damit man mit Krimiaugen am Geschehen dran bleibt, gleichzeitig aber gibt es jede Menge Sozialstudien, rurale Seitenblicke und Society-Aura, damit sich ein dichter atmosphärischer Ring über das Gebiet legen kann.

Ja, so könnten die Tiroler sein, wenn sie sich unbeobachtet fühlen, denkt man sich, und es bleibt ein sympathisches Gefühl.

Lina Hofstädter: Ausapern. Kriminalroman.
Innsbruck: Kyrene 2004. 290 Seiten. EUR 13,20. ISBN 3-900009-05-8.

 

Helmuth Schönauer, 31-01-2005

Bibliographie

AutorIn

Lina Hofstädter

Buchtitel

Ausapern

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2004

Verlag

Kyrene

Seitenzahl

290

Preis in EUR

EUR 13,20

ISBN

3-900009-05-8

Kurzbiographie AutorIn

Lina Hofstädter, geb. 1954 in Lustenau, lebt in Sistrans.