Christoph Wagner, Das Apfelhaus

Buch-Cover

Mit einer guten Figur unter den Fingern, kannst du dir ganze Landstriche wach schreiben. - Diese Faustregel investigativer Poetik hat der 2010 verstorbene Gastro-Krimi-Schriftsteller Christoph Wagner mit seiner Figur Mario Carozzi mit Charme beherzigt.

Sein Archäologe gräbt immer etwas Interessantes aus der Erde, aus den Menschen holt er längst versunkene Erinnerungen und in diversen Küchen stößt er auf verschollene Rezepte.

Im Gedächtnisband "Das Apfelhaus", der zum ersten Todestag des Autors erschienen ist, läuft Mario Carozzi in acht Geschichten im Dreiländereck Kroatien, Slowenien und Steiermark noch einmal zu schürfender Höchstform auf.

In Ljubljana steigt der Archäologe im sogenannten Apfelhaus ab. Im Zimmer liegt ein Apfel in der Schale, sobald man ein Stück davon abbeißt, verformt er sich wieder zu einem Ganzen. Mario Carozzi geht der Sache nach, indem er einen trinkfesten Ex-Chefredakteur aufsucht. Dieser berichtet von einer alten Geschichte aus Maria Theresiens Zeiten, er kann den Apfelmythos zwar nicht erklären, aber immerhin seine Geschichte beschreiben.

In der nächsten Geschichte trifft Carozzi in den Labyrinthen von Maribor auf den Weinkenner schlechthin. Man muss sich zur Gänze dem Wein opfern, um ihn zu verstehen, sagt dieser, als er eine Bacchus-Figur betrachtet. Der Weinkenner selbst ist offensichtlich Diabetiker im Endstadium. Alle seine Gliedmaßen hat man ihm bereits abgenommen, er besitzt nur noch eine Trinkhand und einen Restkörper, ideal geeignet für einen langsamen Abgang.

Für eine Pferdegeschichte, die in einem Pferdemagazin erschienen soll, begibt sich Carozzi anschließend nach Bozen, wo sie zwar alles über Ötzi wissen, aber nichts über Pferde. (43) Auf der Suche nach einer längst ausgestorbenen Pferderasse gerät er schließlich in den Untergrund des Karsts, wo ihm ein Ingenieur das ideale Brummen vorführt. Der Karst summt, wenn man ihm genau zuhört, in jener Frequenz, die durchaus zum Wahnsinn führen kann.

Christoph Wagner erzählt abschweifend skurril. Fachleute halten nie das, was sie versprechen, weil sie immer Fachleute für etwas ganz anderes sind. Orte, an denen man etwas erwartet, bieten nichts, dafür aber tut sich unter der Erde oder ums Eck eine unerwartete Welt auf. Alle Menschen, auch die verstocktesten, geben schließlich ein Geheimnis in Form eines Rezeptes preis, es gibt niemanden, der nicht von einer verloren gegangenen Speise berichten könnte. Und der Beruf des Archäologen bringt es mit sich, dass es keinen Flecken Erde gibt, an dem sich nicht etwas Historisches ausbuddeln ließe.

Die Botschaft Christoph Wagners ist klar: Was du anschaust, siehst du nicht, was du wissen willst, erfährst du nicht! Wer sich aber auf den Genuss des Umwegs einlässt, wird alles erfahren, was ihm gut tut.

Christoph Wagner, Das Apfelhaus. Mario Carozzis mysteriöse Erlebnisse im Innern Europas
Innsbruck: Haymon 2011, 137 Seiten, 19,90, ISBN 978-3-85218-688-7

 

Helmuth Schönauer, 15-11-2011

Bibliographie

AutorIn

Christoph Wagner

Buchtitel

Das Apfelhaus. Mario Carozzis mysteriöse Erlebnisse im Innern Europas

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2011

Verlag

Haymon

Seitenzahl

137

Preis in EUR

19,90

ISBN

978-3-85218-688-7

Kurzbiographie AutorIn

Christoph Wagner, geb. 1954, starb 2010.