Paul Flora, Stille Bilder

Buch-CoverWenn man schnell aufgeweckt drei imposante Tiroler nennen müsste, würde einem sicher Paul Flora einfallen, nicht nur, weil seine Bilder immer einen frisch geweckten Eindruck hinterlassen. Seine jüngste Sammlung nennt sich zeitlos reif und abgeklärt Stille Bilder.

Das sagt es sehr genau, denn über den Bildern liegt jener feine Schleier aus genauem Strich, den man sich vergeblich aus den Augen reibt, und die meisten Bilder handeln zudem noch von der stillsten Zeit des Jahres, dem Winter. Der Winter ist ja die schwierigste Jahreszeit beim Zeichnen. Wer einmal als Kind versucht hat, mit weißem Buntstift auf weißem Papier Schnee zu malen, wird wissen, wie teuflisch schwer sich der Winter in Malerei und Graphik einfangen lässt.

Paul Flora hingegen melkt eine Winterlandschaft mit ein paar Strichen aus, drei Krähen landen mit ausgefahrenem Beinwerk hinter einem kahlen Gebüsch, gegen die Windrichtung, wie es im Luftwesen vorgeschrieben ist. Auf dem Bild Gestrüpp hat dieser Wind die Landschaft bereits durchgehend abgeäst, nur ein paar Büschel kratzen noch widerborstig an einer kleinen Kuppe gegen die Luftströmung. In einem dritten Winterbild geht ein Morgensternscher Lattenzaun ohne Latten im Winter unter, neben dem Handlauf ins Nichts ist ein Schienenstrang angelegt, der sich soeben zustöbern lässt.

Eine Serie im Mittelteil stochert im Neben von Venedig herum, zackige Schlieren wuchern um jene Horizontale, an der offensichtlich das Stehwasser in den Himmel übergeht. Insekten, Radfahrer oder einfach vier Figuren durchwaten die Bilder, die sich von keinem Strich umzäunen lassen. Landschaften in Kalifornien oder an einem Geröllabbruch in den Alpen laufen beim Blättern in einander über.

Was bleibt, ist dieser Wind, genau gezeichnet, genauer als jede Windmessung, dabei zeigt ein einzelner Strich beinahe schon als mathematischer Vektor Richtung und Stärke an. Der Wind ist an manchen Stellen so verpflichtend fixiert, dass sich Gestalten, Gebüsch und selbst Jahrhunderte alte Bäume an seine Vorgabe halten.
Paul Floras Bilder fangen das Zeitlose über Jahrzehnte ein, das früheste Bild der Sammlung ist ein Insekt aus dem Jahre 1949, die jüngsten Bilder von Lagunen, Federn und einer Lonely Lady stammen aus dem Jahre 2004.

Das also ist die Stille, die in diesem Bildband auf jeder Seite ein nuanciertes Gesicht bekommt, ehe sie dem Leser ins Gedächtnis einsteigt.

Paul Flora: Stille Bilder. Zürich: Diogenes 2005. 56 Seiten. EUR 34,90. ISBN 3-257-02085-6.

 

Helmuth Schönauer, 31-03-2005

Bibliographie

AutorIn

Paul Flora

Buchtitel

Stille Bilder

Erscheinungsort

Zürich

Erscheinungsjahr

2005

Verlag

Diogenes

Illustration

Paul Flora

Seitenzahl

56

Preis in EUR

EUR 34,90

ISBN

3-257-02085-6

Kurzbiographie AutorIn

Paul Flora, geb. 1922 in Glurns, lebt in Innsbruck.