Patrick Hamilton, Hangover Square

Buch-Cover

Hangover ist jener Zustand, den man in den Alpen akademisch mit Spätfetzen oder Post-Sud bezeichnet. Der Hangover Square ist also ein Bermuda-Dreieck des Alkohols, worin Helden schon zu Lebzeiten immerwährend versickern können.

Von Patrick Hamilton wird daher in der Literaturgeschichte mit Süffisanz erzählt, dass er nach einem Autounfall für das Leben entstellt und die Literatur ideal eingestellt gewesen ist. Als krönender Abschluss solcher Dichterbiographien gilt dabei ein Tod infolge von Leberzirrhose.

Dem Helden George Harvey Bone kommt jedenfalls die fundierte Säuferausbildung des Autors zugute, er hat den durchgehenden Trinkeratem und zudem noch jenen Klick, mit dem er aus sich selber austritt und in ein Niemandsland der Wahrnehmung fällt. Während eines solchen Klicks beschließt George, eine gewisse Netta umzubringen.

Als Leser wird man durch die düstersten Viertel Londons getrieben, Stadtviertel, die der Held ansteuert, verschwinden plötzlich, Ziele werden nie erreicht und die Geilheit nimmt ständig zu. Allein die Kapitelüberschriften deuten schon das Chaos an, das es zu durchstolpern gibt. Neben geographischen Richtungen, die aber höchstens vage Andeutungen sind, gibt es so seltsame Ereignisse wie Weihnachtsreisen, Anrufe, Grippe oder das Ende des Sommers.

Die Geschichte spielt im Jahre 1939, die politische Weltlage drückt zwischendurch immer wieder auf das Gemüt des Helden, Depression erzeugt Saufdruck. Verrückte Dialoge, Handlungslinien, die jäh abreißen, und eine Logik des Aberwitzes garantieren, dass rechte Winkel stumpf werden und spitze Sachen rund. Für den Leser ergibt sich die Möglichkeit, durch Lesen besoffen zu sein, ohne trinken zu müssen. Lokalkolorit und Sprachdellen sind auch nach sechzig Jahren wunderbar authentisch und garantierten eine deftige Zeitreise, die sich freilich jederzeit kontrolliert abbrechen lässt.

George Harvey Bone ist ein kaputter Held, der sich als Wrack unversehrt ans Ende schleppt. Solche Helden sind durchaus zeitlos, man braucht nur einmal den Test machen, und einen trinkfesten Lokalpolitiker der Gegenwart mit dieser unsterblichen Heldenfolie zur Deckung bringen.

Obwohl der ganze Hangover Square eigentlich nicht zum Lachen ist, lacht man doch immer wieder an den unmöglichsten Stellen, weil dieses ölige Leben zwar schrecklich, aber dennoch witzig ist.

Patrick Hamilton: Hangover Square. Eine Geschichte aus dem finstersten Earls Court. Roman. A.d. Engl. Von Miriam Mandelkow. [Orig. 1941]
Zürich: Dörlemann 2005. 379 Seiten. EUR 23,-. ISBN 3-908777-04-6.

 

Helmuth Schönauer, 17-04-2005

Bibliographie

AutorIn

Patrick Hamilton

Buchtitel

Hangover Square. Eine Geschichte aus dem finstersten Earls Court

Originaltitel

Hangover Square

Erscheinungsort

Zürich

Erscheinungsjahr

2005

Verlag

Dörlemann

Übersetzung

Miriam Mandelkow

Seitenzahl

379

Preis in EUR

EUR 23,-

ISBN

3-908777-04-6

Kurzbiographie AutorIn

Patrick Hamilton, geb.1904 in London, starb 1962 an Leberzirrhose.