Brita Steinwendtner, Im Bernstein

Buch-Cover

"So schnell ließe sich ein Leben erzählen." (11) Tatsächlich geht es in Brita Steinwendtners Roman im Vorspann vorerst einmal ruckezucke zu.

Isa sucht wieder einmal einen Neubeginn, der Vater ist im Krieg gefallen, die Mutter stirbt, als sie vierzehn ist, nach der Hauptschule gibt es eine Schneiderlehre, dann etwas Studium, Au-pair-Mädchen in Paris und Los Angeles, mit 25 in Wien eine Stelle bei einer Tageszeitung, Heirat und Scheidung, irgendwann kehrt Isa nach Linz zurück und gründet ein eigenes Büro.

?So schnell ließe sich ein Leben erzählen. So lässt es sich aber nicht erzählen. In einem Labyrinth entscheiden nicht die Schritte zwischen den Hecken, sondern Besessenheit, den Ausgang zu finden. Und die Zeit trägt einmal die Farbe des Bernsteins und einmal Nachtschwarz.? (11)

Dieses Bild zwischen den Hecken der Zeit lässt sich auch auf die Suche der Heldin übertragen. Mit sich selbst auf einem Podest der Zwischenbesinnung angekommen versucht Isa, aus Texten Mark Twains etwas über die Struktur von Kriegen zu erfahren. Zu diesem Zweck reist sie nach St.Louis, wo Amerika am südlichsten und kriegerischsten ist. Je mehr sie die Anti-Kriegsschriften Twains erforscht, umso mehr schwappen ihr die eigenen Vorfahren in den Forschungsstrom. Immerhin war Vater Nazi und ist an der Ostfront gefallen.

Der Roman erzählt eine geradezu typische Story für eine idealtypische Zeit zum Forschen, immerhin hat jede Epoche ihre Lieblingsthemen und Lieblingswahrheiten. Oft passen die Versatzstücke der Aufklärung so aalglatt in einander, dass eine Erkenntnis durch die andere hindurch fällt und nahezu ausgelöscht wird.

Auch der Heldin gelingt eine durchgängige Aufklärung ihrer eigenen Geschichte, aber sie wird dabei nicht erlöst, hat man den Eindruck. Vielleicht hängt es damit zusammen, dass die Zeit, einmal in Bernstein gepresst, vor allem klar verspiegelt und schön ist. Bei genauerem Hinsehen freilich sind Verunreinigungen im gefrorenen Harz der Erinnerung auszumachen. Letztlich surft Isas Forschergeist durch Zeit und Geographie, noch ehe etwas festgezurrt wird, gibt es schon wieder den obligaten Ortswechsel.

Brita Steinwendtner erzählt von einem großen Frauenschicksal mit etwas klein geratenen Episoden, andererseits braust der Wind von großen Episodenromanen durch etwas zu klein geratene Schicksale. Gerade diese Unwucht zwischen großer Geschichte und minimalistisch gehaltener Ausführung erzeugt viele Bruchstellen, an denen dann die lang gesuchten Sätze auftauchen.

Brita Steinwendtner: Im Bernstein. Roman.
Innsbruck: Haymon 2005. 265 Seiten. EUR 19,-. ISBN 3-85218-467-3.

 

Helmuth Schönauer, 16-05-2005

Bibliographie

AutorIn

Brita Steinwendtner

Buchtitel

Im Bernstein

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2005

Verlag

Haymon

Seitenzahl

265

Preis in EUR

EUR 19,-

ISBN

3-85218-467-3

Kurzbiographie AutorIn

Brita Steinwendtner, geb. 1942 in Wels, lebt in Salzburg.