Hans Augustin, Und wohnt mitten unter uns

Ein Wort, das nicht gesprochen wird, verflüchtigt sich aus dem Wortschatz. Gott ist so ein Wort, das nach Ansicht von Hans Augustin ziemliche große Lust auf Verflüchtigung hat. In knapp fünfzig Gedichten wird daher Gott wieder in den Sprachgebrauch reanimiert, und das in recht aufregendem Ambiente.

"Und wohnt mitten unter uns" ist der Versuch, Gott als rare Begebenheit mit dem Alltag in Verbindung zu bringen. Dabei werden einige Satzteile aus der Schöpfungsgeschichte oder anderen so genannten Heiligen Schriften zu einem Gedicht ausgebaut. Daraus ergibt sich jeweils ein interessantes Gebilde, worin Kult und Alltäglichkeit verschmelzen.

• Gott sitzt im Zugabteil, lautstark unterhalten sich zwei Männer über Versicherungen
• Jemand spielt wie Gott am Klavier
• Gott steht im Bad, putzt sich die Zähne und rasiert sich
• Manchmal sieht man von Gott nur Bremslichter
• Wenn es dunkel ist, macht sich auch Gott im Zimmer Licht und denkt den Tag zu Ende
• Am Rand der Autobahn ein Auto mit Warnblinkanlage, Gott über den Motor gebeugt

Auf Anhieb verblüffen diese trivialen Tätigkeiten, wenn sie göttlich veredelt sind. Manches ist in der Schöpfung gelungen, etwa wenn jemand wie Gott Klavier spielt, manches ist schief gegangen, wie könnte sonst Gott eine Panne haben.

Den Gedichten wohnen der Schalk inne und der lauernde Blick, was denn nun wirklich geschieht, wenn man göttliche Zeilen wörtlich nimmt. So entstehen Gedichte, die wie Fresken-Comics einer Biblia pauperum in die lyrisch-kindliche Seele des Lesers einfahren.

Die wörtlichen Bedeutungen entlarven auch das große Getue, mit dem religiöse Anliegen meist verweihraucht und vernebelt werden. Und an manchen Stellen darf man voll lachen, auch wenn die sakrale Grundierung der Sätze durchschimmert.

Hans Augustins Gedichte-Feld ist tatsächlich freches Neuland, das mit diesen Texten besprüht und leicht angesegnet wird, wie es oft in einer guten Prozession der Weihwasser spendende Pemstel macht.

Der Kyrene-Verlag startet mit diesem Buch die Serie ?Jerusalem?, offensichtlich soll dieser Ort auf eine religiöse Serie hinweisen. So gesehen müsste man die übrigen Bücher dann der Serie ?Höttinger Au? zuordnen, worin das Triviale und Profane seinen Auslauf findet.

Hans Augustin, Und wohnt mitten unter uns. Gedichte.
Innsbruck: Kyrene 2005. 64 Seiten. EUR 7,-. ISBN 3-900009-14-7.

Helmuth Schönauer, 14-06-2005