Das Jahr 2025 zeigt sich, speziell für Österreich, als besonderes Jahr der Gedenktage. So jährt sich am 8. Mai zum 80. Mal das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa. Die Unterzeichnung des Staatsvertrags am 15. Mai 1945 sowie das Ende der Besatzungszeit und die Unabhängigkeit Österreichs am 26. Oktober 1945 feiern ihr 70. Jubiläum. Grund genug das Ende des Krieges in Österreich und Europa anhand von historischen Zeitungsquellen Revue passieren zu lassen.
Die Originalquellen bieten dazu einen interessanten Einblick in die Stimmungslage aber auch in die Rolle der Medien, dem Lesepublikum eine bestimmte Sicht auf die Wirklichkeit zu vermitteln. Dies kommt besonders deutlich in den Zeitungsmeldungen kurz vor und nach dem Ende des 2. Weltkriegs zum Ausdruck, wo zahlreiche Zeitungen nach dem Niedergang des NS-Regimes eingestellt werden und neue Zeitungen erscheinen.
* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *
Die Zeitungen der 1. Republik bis in die beginnende 2. Republik verwendeten meist die damals gängigen Frakturschrift, bei der es sich um eine Druckschrift handelt, die im deutschen Sprachraum vom 16. Jahrhundert bis ca. 1940 in unterschiedlichen Varianten verwendet wurde. Entwickelt hat sich die Schrift aus der seit dem 12. Jahrhundert verwendeten gotischen Buchschrift.
Mit ein wenig Übung lässt sich die ungewohnte Schrift relativ rasch lesen und die Dokumente erwecken die Stimmung, das Denken und die Sprache der damaligen Zeit wieder zum Leben. Das im Bild vorgestellte Alphabet in Frakturschrift soll beim Einstieg in das Lesen historischer Dokumente behilflich sein.
Viele Buchstaben der Fraktura-Schrift sind den lateinischen Buchstaben sehr ähnlich. Beachten sollte man den kleinen Unterschied zwischen dem kleinen f und dem langen s (rechts neben dem kleinen s). Beim f ist der Querstrich ein wenig links und vor allem rechts, beim langen s hingegen nur links.


Die Innsbrucker Nachrichten versuchen die zunehmenden Berichte über eine drohende Niederlage des deutschen Reichs als Gerüchte abzutun:
„Gerüchte. Unsere Gegner haben in den letzten Tagen über ihren Rundfunk oder über unbekannte Wellen, die sie für ihre Zwecke benützen, aber auch mit Flugblättern die tollsten Gerüchte in die Welt gesetzt, einzig zu dem Zweck, die Bevölkerung des Reiches und seiner Gaue in ihrer Haltung irre zu machen. […] Solche Gerüchte betreffen nicht nur die militärischen Ereignisse, sondern befassen sich auch mit führenden Persönlichkeiten von Partei und Staat.“
(Innsbrucker Nachrichten, 1 Mai 1945, S. 1)

Innsbrucker Nachrichten, 1 Mai 1945, S. 1
Während der 1. Mai in der Tageszeitung „Neues Österreich“ als Festtag des Volkes gefeiert wird und die Sozialistische Partei und die Volkspartei die Freiheit Österreichs vom Nationalsozialismus feiern (Neues Österreich, 1. Mai 1945, S. 1), diskreditiert das NS-Blatt „Oberdonau-Zeitung“ am 1. Mai die Regierung Renner als „Wegbereiter zur bolschewistischen Herrschaft“:
„Die Ansicht angloamerikanischer politischer Kreise, daß sich in Wien die Vorgänge im sowjetpolnischen Gebiet wiederholen, daß also das sozialdemokratische Kabinett Renner lediglich den Charakter einer Übergangsregierung trägt, die einer rein bolschewistischen Regierung Platz machen soll, ist daher wohlfundiert […]“
(Oberdonau-Zeitung, 1. Mai 1945, S. 1)
In der letzten Ausgabe der Innsbrucker Nachrichten am 2. Mai steht der Tod Adolf Hitlers im Mittelpunkt, der am 30. April 1945 Selbstmord begangen hat. Die Zeitung stellt Hitler hingegen als heldenhaften Kämpfer dar: „Unser Führer in Berlin gefallen. Aus dem Führerhauptquartier, 1. Mai. Unser Führer Adolf Hitler ist heue nachmittags in seinem Befehlsstand in der Reichskanzlei bis zum letzten Atemzug gegen den Bolschewismus kämpfend, für Deutschland gefallen.“
(Innsbrucker Nachrichten, 2 Mai 1945, S. 1)
In der unübersichtlichen Nachrichtenlage steht Die Österreichische Zeitung der Meldung über Hitlers Tod skeptisch gegenüber und vermutet eine gezielte Täuschung der Nationalsozialisten:
„Die angeführte Mitteilung des deutschen Rundfunks ist offensichtlich ein neuer faschistischer Trick: durch die Verbreitung der Behauptung vom Tod Hitlers, hoffen die deutschen Faschisten offenbar, Hitler die Möglichkeit zu verschaffen, vom Schauplatz abzutreten und sich in die Illegalität zu begeben.“
(Österreichische Zeitung, 3. Mai 1945, S. 4)

Österreichische Zeitung, 3. Mai 1945, S. 4
Am 4. Mai 1945 berichtet die Tageszeitung „Neues Österreich“ von der Kapitulation und dem Ende der Kämpfe in Westösterreich:
„Die deutschen Truppen haben, ebenso wie die faschistischen Verbände in Norditalien und Westösterreich kapituliert. Die Feindseligkeiten wurden gestern nachmittag eingestellt. […] Von der Kapitulation werden Vorarlberg, Tirol und Salzburg sowie Teile von Kärnten und Steiermark erfasst. Alliierte Truppen haben sich Innsbruck bis auf 13 km genähert. Innsbruck dürfte voraussichtlich kampflos übergeben werden, da der Gauleiter von Tirol mitteilte, daß Innsbruck nicht verteidigt wird. Er verbot auch, daß die Brücken gesprengt wurden.“
(Neues Österreich, 4. Mai 1945, S. 1)
Langsam kommen auch in den Bundesländern die ersten Nachkriegs-Zeitungen heraus, wie die Grazer Volkszeitung am 10. Mai 1945 mit zunächst zwei Seiten Umfang, die Innviertler Volkszeitung startet ihre Berichterstattung am 16. Mai 1945 mit vier Seiten, ebenso die Kärntner Nachrichten, die von der englischen Militärregierung herausgegeben wurde. Erstmals findet sich dabei ein Bericht über die Verbrechen im Konzentrationslager Mauthausen, das fälschlicher Weise „Nordhausen bei Linz“ bezeichnet wird:
„Weitere Einzelheiten über das Treiben der entmenschten SS-Männer in dem vor kurzem befreiten Konzentrationslager in Nordhausen bei Linz werden von einem Berichterstatter der Londoner „Times“ gegeben. Diesem Bericht zufolge wurden dort mehr als 200.000 wehrlose Gefangene seit Beginn des Krieges auf die brutalste Weise ums Leben gebracht. Die Verbrennungsöfen verfügten über eine Kapazität von täglich 300 Leichen. Als diese Öfen den Anforderungen nicht mehr gewachsen waren, wurden die Leichen einfach in den Graben der Umgebung geworfen.“ (Kärntner Nachrichten, 16. Mai 1945S. 2)

Kärntner Nachrichten, 16. Mai 1945S. 2
In derselben Ausgabe kommt auch das große Problem der sogenannten Displaced Persons zur Sprache, der riesigen Mengen an Flüchtlingen, die durch den Krieg in die verschiedensten Länder und Regionen flüchten mussten oder verschleppt worden sind:
„Das dringendste Problem das im Augenblick zu lösen war, bestand in der Unterbringung, Verköstigung und Erfassung der zahlreichen Flüchtlinge verschiedener Nationen, die in der letzten Woche aus allen Richtungen nach Villach geströmt waren und die alle so schnell wie möglich in ihre Heimat zurückkehren wollen.“
(Kärntner Nachrichten, 16. Mai 1945S. 1)
Die erste Ausgabe der Salzburger Nachrichten wird am 7. Juni 1945 veröffentlicht und berichtet unter anderem die Eröffnung eines österreichischen Radiosendernetzes in der amerikanischen Besatzungszone: „Es ist eine der ersten Bedingungen einer demokratischen Regierungsform, daß das Volk freien Zugang zu der Kenntnis der Tatsachen hat; denn nur ein Land von gut unterrichteten Menschen ist fähig, seine Regierung zu kontrollieren. Die Nazis konnten nur dadurch herrschen, daß sie die Menschen in Unkenntnis über die Tatsachen und Ereignisse im In- und Auslande ließen.“ (Salzburger Nachrichten, 7. Juni 1945, S. 1)

Salzburger Nachrichten, 7. Juni 1945, S. 1
In der ersten Ausgabe der Oberösterreichischen Nachrichten vom 11. Juni 1945, die von der 12 Heeresgruppe der U.S. Armee herausgeben werden, kommt die beginnende Entnazifizierung des öffentlichen Raumes zur Sprache:
„In Linz werden jetzt alle vom Nationalsozialismus verliehenen Namen einer schleunigen Aenderung unterzogen. Der Adolf-Hitler-Platz im Zentrum der Stadt heißt nunmehr wiederum Hauptplatz. […] weiters wurden bereits Befehle erlassen, daß alle Namen von Plätzen und Straßen in Linz, die irgendwie an die nationalsozialistische Partei erinnern, wieder in ihre früheren Bezeichnungen umbenannt werden sollen.
(Oberösterreichischen Nachrichten, 11. Juni 1945 S. 2)

Oberösterreichischen Nachrichten, 11. Juni 1945 S. 2
Mit etwas Verspätung veröffentlicht in Tirol die „Tiroler Tageszeitung“, zunächst herausgegeben von der 12. US-Heeresgruppe, 21. Juni ihre erste Nummer. Berichtet wurde über den Kriegsverlauf im Asien. In eine Ansprache des Landeshauptmanns von Tirol, Dr. Karl Gruber wirft dieser ein „freundliches“ Licht auf die Tiroler Bevölkerung in der NS-Zeit:
„Das Tiroler Volk, das nunmehr sieben Jahre lang in seinem Kampf gegen die nationalsozialistischen Usurpatoren geeint war, wird diesen Geist der Zusammenarbeit weiter pflegen. Es wird allen seine Unterstützung gewähren, denen die Ueberwindung der Not mehr am Herzen liegt als Postenschacher und politische Intrigen.“ (Tiroler Tageszeitung, 21. Juni 1945, S. 2)
In ihrer zweiten Ausgabe berichtet die Tageszeitung vom Selbstmord des Gauleiters von Tirol-Vorarlberg Franz Hofer kurz nach seiner Verhaftung in Bayern. (Tiroler Tageszeitung, 22. Juni 1945, S. 1) Eine Falschmeldung, wie sich später herausstellen sollte. Hofer war am 6. Mai von US-Soldaten verhaftet und interniert worden. 1948 gelang ihm die Flucht aus dem Internierungslager. Der 1949 zum Tode verurteilte Hofer wurde 1953 zu knapp 3 ½ Jahren Arbeitslager verurteilt. Er lebte danach in Mühlheim an der Ruhr, wo er 1975 starb.
Auf derselben Seite wird über die Verhältnisse im befreiten Konzentrationslager Mauthausen berichtet:
„Ein amerikanischer Staatsbürger, der fast sechs Jahre in Mauthausen war, erzählt, daß er dort nicht weniger als 80 Leichen zugleich an elektrisch geladenen Drähten hänge. sah. die SS-Wachen hatten diese Unglückseligen gezwungen, dagegen zu rennen. […] Außerdem gab es Gaskammern, Verbrennungsöfen undd die sogenannten Photographierräume, die in Wirklichkeit nur ein Uebungsschießstand für SS-Männer waren.“ (Tiroler Tageszeitung, 22. Juni 1945, S. 1)

Tiroler Tageszeitung, 22. Juni 1945, S. 1
In der Tiroler Tageszeitung vom 22. Juni 1945 rechnet die aufklärerische Aufsatzreihe „Totengräber seines Volkes“ rechnet mit der NS-Herrschaft ab und zeichnet den Aufstieg Hitlers und des Nationalsozialismus nach.
Am 10. Juli übernehmen die französischen Streitkräfte mit der Übernahme der Besatzungsmacht von den Amerikanern auch die Herausgeberschaft der Tiroler Tageszeitung:
„Unsere Verbündeten haben uns in der »Tiroler Tageszeitung« ein wertvolles Angebinde übergeben. Wir danken ihnen dafür, daß sie durch die Gründung einer Presse der Wiederaufnahme der geistigen Beziehungen einen außerordentlich wertvollen Dienst erwiesen haben.“
(Tiroler Tageszeitung, 10. Juli 1945, S. 1).
Außerdem wird der Beginn der Schule in Tirol für den Herbst 1945 angekündigt:
„Im Herbst d. J. soll in Tirol wieder die Schule beginnen. Die Schulhäuser werden bis dorthin von den Gemeinden geräumt werden. Am Fehlen geeigneter Schulbücher wird der Unterricht nicht scheitern. Wo keine Bücher vorhanden sind, werden neue Texte geschrieben. Durch Überkleben einzelner Seiten können manche Schulbücher wieder brauchbar gemacht werden. Neue Bücher können bis zum Herbst nicht fertiggestellt werden. Im Laufe des Jahres werden wir wieder eine Lehrerschaft haben, von der angenommen werden kann, daß sie die Kinder im österreichischen Sinn erzieht.“ (Tiroler Tageszeitung, 10. Juli 1945, S. 2)

Tiroler Tageszeitung, 10. Juli 1945, S. 2
>> Das Ende des 2. Weltkriegs im Spiegel österreichischer Zeitungen, Teil 1
Weiterführende Links:
Ende 2. Weltkrieg in Österreich
- Die letzte Hauptkampflinie. In: Truppendienst – Magazin des österreichischen Bundesheers
- Haus der Geschichte Österreich – 1945: Kriegsende
- Wien Geschichte Wiki: Zweiter Weltkrieg
- Mediathek: Archivquellen zum Ende des Zweiten Weltkriegs im Mai 1945
- Mediathek: Befreiung und Besetzung
- OEAD Erinnern.at: Historische Hintergründe zum Jahr 1945
Kriegsende in Tirol
- Tiroler Landesarchiv: Kriegsende 1945
- Tiroler Landesarchiv: Ein Lagebericht über Tirol von Ende Mai 1945
- OEAD Erinnern.at: Das Kriegsende in Tirol – die Befreiung Innsbrucks
- Volksbund – Gemeinsam für den Frieden: Letzte Kriegswochen in Tirol: zwei feindliche Einheiten in einem Dorf
- Universität Innsbruck: Kriegsende Tirol/Südtirol 1945 - Geschichten
- Horst Schreiber: Innsbruck im Bombenkrieg
Andreas Markt-Huter, 30-04-2025