Julia Rhomberg, Grashalme Statisten

Buch-Cover„hau ab sage ich zum mond der bleibt“ (80). Wenn man Julia Rhombergs Gedichte erst einmal neugierig durchstreift, kitzeln einen solche kleinen trotzigen Sätze wie eben vom Mond, der aller Stimmungslagen zum Trotz nie verschwindet.

Schon der Titel des Buches schmiegt sich auf Anhieb ans Leserherz. Die Grashalme, steif, brüchig, hart, biegsam und windangepasst sind oft nur Statisten einer Landschaft, und trotzdem prägen sie jedes Bild durch Farbe und Konsistenz.

Julia Rhombergs Gedichte sind ausgefranst wie heftig benützte Besen, in den Wortzeilen stecken die Flusen des Gesehenen, in den scheinbar festen Borsten der Verse haben sich die prosaischen Erlebnisse eingenistet, festgekrallt im Rhythmus eines Kehraus. Die Gedichte sind eine Kehrbewegung quer über die Kontinente. Eine Station heißt Januarfluss, aus dem Rio de Janiero entsteigen Monumente wie die Christusstatue, ein unauffälliges Gespräch zweier Männer schlägt durch ein offenes Kirchenfenster, am Markt sind die Gleise tot, wenn die Frauen die Fliegen vom Zuckerrohr jagen.

Dieser entfernten Welt Brasiliens stehen so winzig wundersame Locations gegenüber wie „Hallenbad Amraser Straße, Innsbruck“, „Laurinallee“, „Ratzell, Osttirol“ oder als Höhepunkt: „Hinter Vill, Tirol“. Als ob die einzelnen Begriffsteile nicht schon genug Entrücktheit und Entlegenheit bedeuteten, werden sie in dieser Steigerung geradezu zu einem Ort des vollkommenen Nichts, worin federnde Gedanken Platz haben.

Diese poetischen Ortsangaben sind die Wurzeln, auf denen dann die Grashalme fußen. „seekrank klammere ich mich an die boje des regens“ (30), heißt es dazu. Dem lyrischen Ich wird „landschwindlig“, jemand ist an rasches Packen gewöhnt, wenn er sein Akkordeon schnell beiseite räumen muss. Das Leben spielt sich zweisprachig auf winzigen Balkonen ab, und eine hellblaue Vespa kann den Kindheitssommer einer ganzen Epoche evozieren.

Einige dieser Gedichte sind italienisch und deutsch ausgeführt und ergeben zusammen diese flirrende Welt eines Sprachtandems, wie sie der Südtiroler Autor Gerhard Kofler immer in seinen Gedichten hat entströmen lassen.
Das Ende des Bandes ist frech und ungeniert, wie ein Popsong. „eine/r geht immer / hinterlässt // ein tattoo“ (85). Ergreifender kann man das Aufhören einer Begegnung nicht beschreiben.

Julia Rhomberg, Grashalme Statisten. Gedichte.
Innsbruck: Haymon 2006. 292 Seiten, 14,90 €. ISBN 978-3-85218-515-6.

 

Weiterführende Links:
Haymon-Verlag: Julia Rhomberg, Grashalme Statisten
Wikipedia: Julia Rhomberg

 

Helmuth Schönauer, 03-10-2006

Bibliographie

AutorIn

Julia Rhomberg

Buchtitel

Grashalme Statisten

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2006

Verlag

Haymon

Seitenzahl

292

Preis in EUR

14, 90

ISBN

978-3-85218-515-6

Kurzbiographie AutorIn

Julia Rhomberg, Grashalme Statisten. Gedichte.