Alek Popov, Mission: London

Buch-CoverBotschafterromane haben immer etwas Skurriles an sich. Da ist zum einen die abgehobene Sprache, mit der sich Diplomaten gegenseitig die Nasenkrümel aus der Semantik ziehen, und zum anderen das Elitebewusstsein, wo immer ein Botschafter auch ist, er hält sich in einem sozial besonders ätherischen Areal auf.

Frisch wie Gemüse aus Bulgarien trifft Varadin Dimitrov in seiner Botschaft in London ein. Er soll den kulturellen Anschluss Bulgariens an die westliche Welt ermöglichen und hat eine Wahnsinnserrungenschaft in seinem Gepäck. Das erste WC der Welt wurde in Bulgarien entwickelt. Quasi als Einstandsgeschenk soll diese Leistung der Kunstwelt des Westens in einer Hommage-Installation dargeboten werden.

In der Botschaft freilich haben sich seltsame Bräuche eingenistet, der Vorgänger will nicht zurücktreten und schon gar nicht nach Bulgarien zurück, weil ihm dort offene Rechnungen präsentiert werden. Also spielt er pressetauglich einen verfolgten Dissidenten, der sich keine Wohnung leisten kann und unter erbärmlichen Umständen überleben muss.

Auch in den Vorgärten, in den Teichen und überhaupt im Entenbereich hat sich Spionage breit gemacht. Den Royal Ducks hat offensichtlich die Russen-Mafia Spionagesender implantiert, und als die falschen Enten geschlachtet werden, kommt es zu formidablen Informationsaussetzern.

Bulgarien erweist sich zwar als Brückenland zwischen dem Osten und dem Westen, aber es hat eigentlich nichts zu melden und zieht sich auf verschrobene Eigenheiten zurück. Sinnigerweise ist das Bulgarische Restaurant in einem Riesengebäude der Russischen Küche untergebracht, der Duft des eigenständigen kleinen Landes hat also kaum Chance auf singuläre Wahrnehmung.

Am besten schlagen sich Bulgarinnen durch, die mal als Stripperin, mal als Studentin Extrawünsche von sexuell verwahrlosten Geschäftstreibenden erfüllen.

Spionage, schräge Umtriebe und als Karikatur angelegte Repräsentationsformen begleiten jedenfalls den neuen Botschafter, der völlig entkoppelt von dem, was in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird, irgendwie seine Mission zu Gange bringt.

Alek Popov erzählt so frech und ungeniert, dass man beim ersten Hinsehen sogar glaubt, Popov selbst sei ein freches Pseudonym. Der Roman „Mission: London“ ist fetzige Erzähl-Lava, die ungebremst in die Untiefen der Diplomatie ausrinnt.

Alek Popov, Mission: London. Roman. A. d. Bulgar. Von Alexander Sitzmann.
St. Pölten: Residenz Verlag 2006. 333 Seiten. EUR 19,90. ISBN 978-3-7017-1457-5

 

Weiterführende Links:
Residenz-Verlag: Alek Popov, Mission: London
Wikipedia: Alek Popov (engl.)

 

Helmuth Schönauer, 26-10-2006

Bibliographie

AutorIn

Alek Popov

Buchtitel

Mission: London

Originaltitel

Missiya London

Erscheinungsort

St. Pölten

Erscheinungsjahr

2006

Verlag

Residenz Verlag

Übersetzung

Alexander Sitzmann

Seitenzahl

333

Preis in EUR

19,90

ISBN

978-3-7017-1457-5

Kurzbiographie AutorIn

Alek Popov, geb. 1966, lebt in Sofia.