Barbara Hundegger, rom sehen und

Buch-Cover„Dschi-pi-two“ und „Bi-sixteen“, was nach zwei erfolgreichen Bands klingt, sind die poetisch besungenen Abkürzungen der beiden letzten Päpste. Während Johannes Paul der Zweite gerade vor den Augen der Presse mühselig literarisch aufgepäppelt stirbt, macht sich das Lyrische Ich auf nach Rom, um ein Stipendium abzuarbeiten. Als dann Benedikt der Sechzehnte vom Balkon winkt, ist die literarische Mission in Rom abgeschlossen.

Barbara Hundegger lässt schon im Titel für den Leser allerhand offen und lädt ihn ein, sich sein poetisches Bild selbst zu Ende zu denken. „Rom sehen und“ verweist natürlich auf das Sterben, das sich bei diesem Satzanfang wie von selbst auf die Zunge legt. Das freche Und könnte aber auch süffisant entwertend gemeint sein, das lyrische Ich hat also Rom gesehen, na und?

Barbara Hundegger nennt ihren Text raffiniert genau „gedicht-bericht“, mit Augenzwinkern und Geduld bringt sie so scheinbar entgegen gesetzte Begriffe wie den sachlichen Bericht und das schwärmerische Gedicht zusammen. Dazwischen tut sich eine eigene Welt auf, die angesiedelt ist zwischen Fiktion, Religion, Kult, Presse, Übertreibung und irrationaler Herzensergießung.

Die beiden Leitschienen dieser Empfindungsfahrbahn verlaufen streng strukturiert durch den Gedichtband. Rechts steht jeweils das lyrische Ich komprimiert zu einem Gedicht der Eigenempfindung, links wird der öffentliche Raum dargestellt als Raunen von Headlines, ausgerissenen Zeitungsausschnitten und Geräuschen öffentlicher Kommentare. Da beide Welten mit der gleichen Technik verfremdet sind, ragen die beiden Gedichtwelten jeweils nahtlos ineinander über. Graphisch kundgetan wird diese Verschränkung durch die Satzspiegelung an der Mittelachse des Buches, die Gedichte greifen deshalb von der Buchmitte aus an die Ränder, wie Christbäume vom Stamm aus in die Feierlichkeit ausgreifen.

Das Sterben eines Papstes wird zwischendrin skurril überhöht, von dreifachem Ave Maria wird der Sonnenkönig umkränzt und aufgebahrt, das Jenseits steigt mit kühnen Floskeln auf die Erde nieder und holt den vergöttlichten Erdenbürger heim. Die Betroffenheitsszenarien schaukeln einander von Seite zu Seite auf, bis man sich als Leser in einem nordkoreanischen Kungfu-Kult wähnt.

Barbara Hundegger ist mit diesem Gedichtband ein Stück Lyrik gelungen, die sie einmalig und unverwechselbar macht. Kalt und heftig, öffentlich und privat, siedend fiktional und cool dokumentarisch erzählt dieses Buch von jener skurrilen Kluse, die zwischen zwei Päpsten liegt, ehe wieder der weiße Rauch aufsteigt. Rom sehen und die Hölle ist los, möchte man den Satz zu Ende führen, denn es ist wirklich alles los, was gute Lyrik auf die Beine zu stellen vermag.

Barbara Hundegger, rom sehen und. Lyrik.
Innsbruck: Skarabaeus 2006. 89 Seiten. EUR 16,90. ISBN 978-3-7082-3181-5

 

Weiterführende Links:
Skarabäus-Verlag: Barbara Hundegger, rom sehen und
Wikipedia: Barbara Hundegger

 

Helmuth Schönauer, 10-11-2006

Bibliographie

AutorIn

Barbara Hundegger

Buchtitel

rom sehen und

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2006

Verlag

Skarabaeus

Seitenzahl

89

Preis in EUR

16,90

ISBN

978-3-7082-3181-5

Kurzbiographie AutorIn

Barbara Hundegger, geb. 1963 in Innsbruck, lebt in Innsbruck.