Geschichte | Politik

Alois Schöpf, Tirol für Fortgeschrittene

h.schoenauer - 22.12.2017

Ein Essay ist eine literarische Kunstgattung und als solche für Postings ungeeignet. Einem Essay begegnet man als Leser nicht mit der Bemerkung „gefällt mir“, sondern man überlegt seine eigene Einstellung zum Thema anhand der aufgeführten Sachlage. Das macht den Essay letztlich zu einem offenen Werk, das in gewisser Weise immer Recht hat.

Alois Schöpf gerät für seine Bemerkungen auf den Titel „Tirol für Fortgeschrittene“, weil er die Verfasser von „Tirol für Anfänger“, Paul Flora und Hans Weigel, persönlich gekannt hat. Er macht Fortgeschrittene daraus, weil sich alles weiterentwickelt hat und viele auch aus dem Land fortgeschritten sind. Das unterscheidet die Fortgegangenen vom Autor, der nach ein paar Jahren in Wien wieder zurück musste ins Herz der Alpen und seither leidet oder flucht, sofern ihm nicht durch die Blasmusik gewisse Auszeiten gegönnt sind.

Robert Menasse, Die Hauptstadt

h.schoenauer - 20.12.2017

Große Gebilde lassen sich nur mit einem Roman großer Ironie darstellen. So handelt der berühmte Musil-Roman „Der Mann ohne Eigenschaften“ beispielsweise von einer Parallelaktion, in der es darum geht, die Jubiläumsfeiern des deutschen Reiches mit einer noch größeren der k. und k. Monarchie zu übertreffen.

Robert Menasse nimmt als Musil-Kenner diesen roten Faden von Großveranstaltungen auf, wenn es darum geht, einem ganzen Kontinent einen Sinn, eine Zukunft, eine Feier und vor allem eine Hauptstadt zu verpassen. Die Hauptstadt spielt in Brüssel, wo aus allen EU-Ländern Beamte, Lobbyisten und Adabeis zusammenströmen, um vor allem gut zu essen und diskrete Seitensprünge abzuarbeiten.

Bernd Schuchter, Gebrauchsanweisung für Tirol

h.schoenauer - 11.12.2017

Der Führer muss braver sein als das Land, durch das er führt! - Nach dieser Tourismus-Vorgabe erscheinen in Tourismus-Ländern regelmäßig Führer, die eine brave Geschichte fortschreiben und mit dem Hauben-Koch des aktuellen Jahres beenden.

Bernd Schuchter hat unter dieser Vorgabe die „Gebrauchsanweisung für Tirol“ verfasst. Zusätzlichen Druck macht ihm dabei Reinhold Messner, der vor Jahren im gleichen Verlag die Gebrauchsanweisung für Südtirol geschrieben hat.

Noam Chomsky, Requiem für den amerikanischen Traum

andreas.markt-huter - 06.12.2017

„Ein wesentlicher Bestandteil des amerikanischen Traums ist die soziale Mobilität: Auch wer arm geboren ist, kann es durch harte Arbeit zu Wohlstand bringen. Gemeint ist damit, dass jeder einen gut bezahlten Job finden, sich ein Haus und ein Auto leisten und seinen Kindern eine Ausbildung finanzieren kann … All das ist in sich zusammengebrochen.“ (11)

Der amerikanische Traum ist die Hoffnung auf eine bessere Zukunft, die allen offensteht, wenn sie nur hart dafür arbeiten und sich bemühen. Was für eine gewisse Zeit lang und bis zu einem gewissen Grad durchaus der Wirklichkeit entsprochen hat, hat in der Gegenwart seine Gültigkeit verloren. Und obwohl die soziale Mobilität in den USA mittlerweile geringer ist als in Europa, wird der amerikanische Traum durch die Propaganda bewusst am Leben gehalten.

Bernard Cornwell, Waterloo

andreas.markt-huter - 29.11.2017

„Napoleon hatte sicher recht, als er feststellte, das Schwierigste im Krieg sei es, «die Pläne des Gegners zu erraten». Und mit genau dieser Schwierigkeit hatten es Marschall Blücher und der Duke of Wellington zu tun: Was plante der Kaiser?“ (59)

Knapp ein Jahr nach seiner Verbannung auf die Insel Elba kehrte Napoleon wieder nach Frankreich zurück und überrascht mit dieser Aktion die auf dem Wiener Kongress versammelten Fürsten und Könige, die in Wien gerade mit der Restauration Europas beschäftigt sind. Als es Napoleon gelingt, eine neue Armee aufzustellen, treten ihm mit dem englischen General, dem Herzog von Wellington und dem preußischen Generalfeldmarschall Blücher bei Waterloo zwei ebenbürtige Gegner gegenüber, deren Armeen sich im Juni 1815 bei Waterloo die alles entscheidende Schlacht liefern.

Juri Andruchowytsch, Kleines Lexikon intimer Städte

h.schoenauer - 24.11.2017

Städte sind mehr oder weniger fixe Haken der Geschichte, an denen man die eigene Arbeit, die Träume und Abenteuer einhängen kann.

Juri Andruchowytsch führt seit jeher ein literarisches Leben, das sich zwischendurch in Lesereisen, Romanen und Projekten ausformt.
Daraus entsteht wie von selbst ein Netz aus Erlebnisknoten, die von aufgesuchten Städten zusammengehalten werden. Eine freie Erzählform ergibt sich dabei, wenn man die Städte zu einem Lexikon zusammenfügt.

Kirstin Breitenfellner, Bevor die Welt unterging

h.schoenauer - 15.11.2017

Eine Historiker-Weisheit sagt, dass man für sein eigenes historisches Bewusstsein mindestens 30 Jahre alt sein muss. Davor ist alles ahistorisch und einmalig, erst später kann man sein eigenes Leben in Zusammenhänge fassen und an die Zeitgeschichte andocken.

Kirstin Breitenfellner geht es in ihrem Roman um dieses Andocken an die Zeitgeschichte. „Bevor die Welt unterging“ beschreibt aus Schlagzeilen und auf den Alltag herunter gebrochenen Anekdoten eine Spät-Kindheit und Abitur-Adoleszenz zwischen 1979 und 1989.

Brigitte Mazohl u.a., 99 Fragen an die Geschichte Tirols

h.schoenauer - 09.11.2017

Geschichte besteht wie auch Literatur hauptsächlich aus Vermittlung. Erst wenn wir Quellen, Erzählungen und Dokumente in die Hand nehmen, wird daraus Geschichte. Das erklärt auch, warum jede Generation immer wieder die Geschichte neu erzählen muss.

Während spektakuläre Aufbereitungen der Geschichte in Form von Apps, Schautafeln oder Comics oft den Stoff mit Methode zudecken, hat das gute alte Frage-Antwortspiel immer noch den Vorteil, dass es Quiz-gemäß den Spieltrieb stillt und Pflicht-gemäß für allerhand Varianten des überprüfbaren Bildungssystems geeignet ist.

Aleš Šteger, Logbuch der Gegenwart

h.schoenauer - 05.11.2017

Eine literarische Antwort auf die Welt der politischen Selfies und Clouds ist die Echtzeitliteratur, die im Stile eines journalistischen Selbstversuchs an sogenannten Hotspots der Weltgeschichte abläuft oder durch Inszenierung Hotspots schafft.

Aleš Šteger ist in der Kernzone seiner selbst Poet, allerdings ist er wie ein Kriegsberichterstatter ununterbrochen unterwegs, um eine Art Logbuch der Gegenwart zu inszenieren. Wenn unsereins sagt, dass die heutige Zeit im Bild der Roman von morgen ist, so sagt der Autor, dass dieser Roman auch dort spielen muss, wo die Nachricht über ihn entstanden ist.

Barbara Stollberg-Rilinger, Maria Theresia

andreas.markt-huter - 02.11.2017

„Der Suggestionskraft dieser Heldenerzählung kann man sich schwer entziehen. Sie machte Maria Theresia im Laufe des 19. Jahrhunderts zu der Symbolgestalt österreichischer Staatlichkeit schlechthin. Es fällt schwer sich vorzustellen, dass das nicht immer so war.“ (X)

Maria Theresia zählt wohl zu den bekanntesten Herrscherinnen der Geschichte und in Österreich ist das mythische Bild der übergroßen Landesmutter weitverbreitet. Dabei spielte die Erinnerung an die „Kaiserin“ in den Schriften zur Zeit der Französischen Revolution schon kaum mehr eine Rolle. Es war das 19. Jahrhundert, das sie wieder auferstehen ließ und ihr die Rolle einer zentralen Symbolgestalt der österreichischen Staatlichkeit zukommen ließ. Anhand eines umfangreichen Quellenmaterials legt Barbara Stollberg-Rilinger minutiös das Bild der Kaiserin und ihrer Zeit vor ihrer Verklärung im 19. Jahrhundert frei.