Geschichte | Politik

Giancarlo De Cataldo / Carlo Bonini, Die Nacht von Rom

h.schoenauer - 22.10.2017

Als die scheinbar ewigste Stadt der Welt besteht Rom einerseits aus lauter Kleinodien triefend vor Geschichte, andererseits aus brutalster Schwarzweiß-Szenerie wie in einer vom Staat aufgegebenen mexikanischen Stadt.

Giancarlo De Cataldo und Carlo Bonini kriegen ihren Stoff Nacht für Nacht vor die Haustüre gekarrt, sie brauchen im Prinzip bloß sorgfältig die Fälle aus Justiz und Chronik abzuschreiben und haben schon einen Thriller. „Die Nacht von Rom“ ist eine Fortsetzungsgeschichte ohne Anfang und Ende, nicht einmal die Helden wissen in diesen Folgen, ob sie dieses Mal die ultimative Macht an sich reißen können oder unter Folter liquidiert werden.

Peter Henkel, Schluss mit Luther

andreas.markt-huter - 17.10.2017

„Seit der Aufklärung vor rund zweihundertfünfzig Jahren blieb noch jedes Luther-Jubiläum hinter ihr zurück. Nicht nur wegen des geradezu hysterischen Teufelsglaubens, dem der gläubig-abergläubische Professor huldigte und der bei diesen Feiern wohlweislich beschwiegen worden sein dürfte, wie so manches andere, was das Loben und Feiern hätte stören können.“ (24)

Als eine der wenigen Ausnahmen zu den zahlreichen Biographien über den deutschen Reformatoren, in denen die Bilanz über Luthers Leben und Wirken, trotz aller Kritik, durchwegs positiv ausfällt, steht Peter Henkel Luther äußerst kritisch gegenüber und lenkt dabei den Blick auf die zahlreichen menschlichen und theologischen Ungereimtheiten und Abgründe des Reformators. Ebenso verweist er anhand zahlreicher Beispiele, wie sehr in der Forschung aber auch im religiösen Alltag, die Schattenseiten Luthers verdrängt oder zumindest verharmlost werden.

Siegfried Frech / Dagmar Richter (Hg.), Der Beutelsbacher Konsens

andreas.markt-huter - 10.10.2017

„Der Beutelsbacher Konsens bietet Politiklehrerinnen und –lehrern auf den ersten Blick eine didaktische Hilfestellung. Für die Förderung der politischen Analyse-, Urteils- und Handlungskompetenz der Schülerinnen und Schüler sind die drei Konsenssätze unverzichtbare Standards. Allerdings lösen die drei Prinzipien des Konsenses nicht das Dilemma der Authentizität der Lehrenden.“ (14)

In den Beutelsbacher Gesprächen 1976 einigten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer für den Bereich der politischen Bildung auf eine formlose Übereinkunft. Zu den Beutelsbacher Konsenssätzen, die im Bereich der Didaktik oder im Schulunterricht der politischen Bildung allgemein anerkannt sind, gehören das Überbewältigungsverbot, das Kontroversitätsgebot und die Befähigung zur Partizipation am politischen Leben. Vierzig Jahre später stellt sich die Frage, welche Bedeutung der Beutelsbacher Konsens in der Gegenwart hat und ob Ergänzungen oder Anpassungen notwendig sind.

Thomas Winkelbauer u.a., Geschichte Österreichs

andreas.markt-huter - 28.09.2017

„Jede »Geschichte Österreichs« ist letzten Endes ein Konstrukt, ein Konstrukt freilich, das die Österreichhistoriker nicht nur den historisch wissbegierigen Österreicherinnen und Österreichern, sondern allen an der Geschichte Europas und Österreichs in Europa Interessierten schuldig sind.“ (31)

Die „Geschichte Österreichs“ spannt den historischen Bogen von der römischen Herrschaft, 15 v. Chr., bis in die unmittelbare Gegenwart der 2. Republik im Jahr 2015. Dabei wird den Leserinnen und Lesern anschaulich vor Augen geführt, wie sehr sich die politische Landschaft eines geographischen Raumes im Laufe von zwei Jahrtausenden verändert hat.

Joost de Vries, Die Republik

andreas.markt-huter - 26.09.2017

Das ganze Hotel voller Hitler-Experten, am Gang sieht man den niederländischen Rechten-Führer vorbeihuschen, in der Seitengasse werden in einem Antiquitätenladen originale Hitler-Devotionalien angeboten, am Heldenplatz imaginieren die Hitler-Forscher den Führer auf den Balkon – Wien ist für ein paar Tage der Austragungsort eines Welt-Hitler-Kongresses.

Joost de Vries tarnt seinen Roman mit einem unauffälligen Titel, es gibt kaum etwas Harmloseres, als die Republik in den Mund zu nehmen. Gegen Ende freilich klärt sich diese Harmlosigkeit auf, bei der Republik handelt es sich immer um etwas Schwaches oder gar einen Abstieg, der nach der Monarchie oder Diktatur ausgerufen wird. (255)

Peter Pilz, Heimat Österreich

andreas.markt-huter - 21.09.2017

„Die drei Jahrzehnte entfesselter Finanzmärkte haben das europäische Pulverfass gefüllt. Mit der Deregulierung der Finanzmärkte hat die Politik die Lunten gelegt, weil sie nur eines fürchtete: dass die Märkte nervös werden. Jetzt werden immer mehr Menschen nervös und verlieren die Geduld. Sie haben recht.“ (20)

Knapp vor der Nationalratswahl veröffentlicht der Politiker Peter Pilz sein Buch „Heimat Österreich. Ein Aufruf zur Selbstverteidigung“ in dem er seine wichtigsten politischen Positionen und Gedanken kompakt und rhetorisch zugespitzt zu Papier bringt. Das Themenspektrum reicht von der europäischen Finanz- und Wirtschaftskrise, über den Eurofighter Skandal bis hin zu Bedrohungen der Gesellschaft durch rechtsnationale Parteien und islamischen Fundamentalismus.

Don Winslow, Das Kartell

h.schoenauer - 19.09.2017

Im perfekten Roman ist die dargestellte Fiktion so wirklich, dass man damit in der Wirklichkeit etwas anfangen kann, auch wenn es keine Hilfestellung dafür gibt.

Don Winslows „Kartell“ ist natürlich ein Thriller, was die äußere Aufmachung und das Marketing betrifft, in seinem Kern ist der Roman aber ein Stück von der Hinterseite jener Währung, die uns im scheinbar fernen Europa als goldenes US-Wesen dargeboten wird. Im Gewusel aus hunderten Plots geht es um Krieg, feindliche Übernahmen, Scheinfirmen, Korruption und Gewalt. Die Schauplätze liegen zwar meist in einem Mexikanischen Bundesstaat, gesteuert wird das Ganze freilich direkt aus Washington heraus. Und wenn Mexiko für die Kriege zu klein wird, weicht man stracks in südliche Guatemala aus.

Josiah Ober, Das antike Griechenland

andreas.markt-huter - 14.09.2017

„Während des größten Teils der Menschheitsgeschichte galten Demokratie und Wachstum allerdings nicht als normal; sie waren nicht einmal vorstellbar. Lediglich im ersten Jahrtausend v. Chr. gab es im antiken Griechenland einen Zeitraum von mehreren Jahrhunderten, in denen Demokratie und Wachstum für die Bürger im klassischen Griechenland tatsächlich normal waren. Wie es dazu kam und warum das Wissen um diesen Umstand wichtig ist, führe ich in dem vorliegenden Buch aus.“ (9)

Wie war es möglich, dass sich in der Geschichtsepoche, die heute das als das „klassische Griechenland“ bezeichnet wird, jene politischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen entwickeln konnten, die eine bis dahin ungekannte kulturelle Blüte hervorgebracht hat. Josiah Ober geht in seiner Darstellung neue Wege und zieht die Erkenntnisse der Soziologie ebenso zu Rate wie aus dem Gebiet der Biologie, indem er die Zusammenarbeit zwischen Menschen ähnlich analysiert wie z.B. jene zwischen staatenbildenden Insekten, wie etwa Ameisen.

Dietmar Füssel, Wirf den Schaffner aus dem Zug

h.schoenauer - 27.08.2017

Manche Bücher bleiben als Manifeste in Erinnerung, da ist der Inhalt des Buches schon lange vergessen. Bertha von Suttners „Die Waffen nieder“ (1889) ist so ein Buch, das wahrscheinlich seit hundert Jahren nicht mehr gelesen aber umso häufiger zitiert worden ist.

Dietmar Füssel hat 1983 mit seinem Schaffner-Buch Furore gemacht. „Wirf den Schaffner aus dem Zug“ bringt so genannte respektlose Geschichten ans Tageslicht, dabei werden vor allem politische Strukturen, Ordnungshüter, Dogmen und Faustregeln unverblümt an das schwarze Brett gehängt mit der Bitte um Revision. Die einzelnen Geschichten sind als fiktionale Überlegungen gedacht, nicht aber als Handlungsanleitung.

Andreas Wiesinger, Boulevardzeitungen im crossmedialen Vergleich

h.schoenauer - 17.08.2017

Süffisant verweisen Patrioten darauf, dass es in Tirol kaum Boulevard-Journalismus gibt, weil in diesem Land nur hochqualifizierte Journalisten in hochqualifizierten Medien für ein hochqualifiziertes Publikum schreiben.

Andreas Wiesinger nimmt für die „Boulevardzeitungen im crossmedialen Vergleich“ deshalb acht Zeitungen ins Visier, unter anderem „Bild“, „Blick“, „Heute“ und „Kronenzeitung“, um erstens auszumachen, wie populärer Journalismus funktioniert, und zweites abzuchecken, wie sich das Boulevard das neue Medium Online unter den Nagel reißt.