Wer einmal das Handwerk der Provinz gelernt hat, kann darin jeden Tag das Universum entdecken.

Christian Mähr ist der Fachmann für das Leben in kleinen Soziotopen. Ob er nun einen Krimi schreibt, eine Werkstoffanalyse vorlegt oder dem Treiben der Bienen auf engstem Raum zuschaut, immer handelt sein Schreiben vom schmunzelnd liebevollen Umgang weltentrückter Menschen in einer weltoffenen Gegend.

So wie es keine eindeutigen Sachverhalte gibt, gibt es natürlich auch keine eindeutigen Wörter. Am ehesten können Wortketten im Hirn eine Art Richtung des Denkens auslösen, mehr ist im Hirn nicht drin.

Markus Köhle, der mehrfach gekrönte König der Slam Poetry schafft es mit seinem Roman, Sprachkritik, Handlung und politische Logik auf die Reihe zu kriegen.

„Die Anatomie unserer Vorfahren verrät und viel über ihr Aussehen, lässt aber auch Rückschlüsse auf ihr Verhalten zu. Artefakte wie Werkzeuge, Malereien und andere Ausdrucksformen der Kunst geben uns Einblicke in die Kultur dieser Menschen.“ (32)

Die Anfänge der Menschheit lassen sich derzeit knapp 7 Millionen Jahre zurückverfolgen und sprechen in Form von Fossilien und Steinwerkzeugen eine mitunter beredte Sprache. Das mehr als 250 Seiten starke Sachbuch über die Anfänge der Menschheit besticht gleich zu Beginn durch sein üppiges Bildmaterial aus Fotos, Zeichnungen, vor allem aber durch die beeindruckenden Rekonstruktionen der Brüder Kennis. Ihnen gelingt es mit ihren lebensechten Abbildern unseren verwandten Vorfahren gleichsam ins Auge zu schauen.

„Ein Friedhof ist ein Friedhof. Man sollte von einem Friedhof nicht mehr erwarten, als er für die Toten bedeutet. Die Lebenden sind Gäste auf Friedhöfen.“ (50)

Alfred Gelbmann gilt als der Meister der „lapidaren Logik“, worin Selbstverständlichkeiten enträtselt werden, indem sie ähnlich dem Roman nouveau in ihre Einzelteile zerlegt werden.

Die Seele ist ein weites Land, heißt es bei Schnitzler, und David Vann scheint die Parole ausgegeben zu haben: Die Seele ist ein wildes Land.

Im Sinne einer Robinsonade verlaufen sich Gary und Irene in der Unermesslichkeit Alaskas. Er hat einmal in Kalifornien Beowulf studiert und versucht jetzt, diese archaische Story samt ihrer schicksalshaften Sprache auf einer stürmischen Insel umzusetzen, sie hat irgendwie eine Spur indigener einheimischer Wurzeln, aber jetzt ist sie überfordert und am Ende, rasende Schmerzen in den Stirnhöhlen tun ein Übriges.

Manche Namen erzeugen von sich aus einen sakralen Sound, manche Orte werden ungefragt zu einem Mythos, an dem sich eine ganze Nation aufrichtet oder zugrunde geht.

Oksana Sabuschko widmet sich in ihrem „Kern-Essay“ dem Planeten Wermut, die alte ukrainische Ortsbezeichnung für Tschernobyl heißt nämlich nichts anderes als Wermut. Über Tschernobyl wird vor allem international gesprochen, im eigenen Land gibt es einen recht seltsamen Zugang zu dieser Katastrophe. Das hat damit zu tun, dass ursprünglich alle Informationen darüber von „außen“ gekommen sind und es im Innern kaum eine Kultur gibt, wie man mit diesen Katastrophen des Kolonialismus umgehen könnte.

Seit den Zeiten der Wahlverwandtschaften gibt es in der Literatur immer wieder Überlegungen, ob die Erotik nicht eine chemische Angelegenheit zwischen dem weiblichen und dem männlichen Element sei.

Manfred Rumpl schickt in seinen sechs Stories den männlichen Erzähler Anatol Hofer auf die Suche nach dem weiblichen Element. Und die erste Erfahrung, die der Held dabei macht: das weibliche Element lässt sich nicht suchen und schon gar nicht finden, es taucht von sich aus ungefragt auf.

Immer wieder werden in der Literatur zeitgeschichtliche Epochen aus der Sicht eines Außenseiters erzählt, man denke nur an die berüchtigte Blechtrommel, wo im wahrsten Sinne des Wortes laut von unten erzählt wird.

Leene Parkkinen erzählt eine Zirkusgeschichte aus den goldenen Zwanziger Jahren, aber die Erzählfigur nimmt alles doppelt war. Es handelt sich um den Ich-Erzähler Isaak, der mit seinem Bruder Max an der Hüfte zusammengewachsen ist.

Ein verstörter Held, der seine Verstörung durch einen wahnwitzigen Amerika-Trip bekämpfen will, wird in den Klassikern Kafkas, Handkes und Gerhard Roths jeweils noch verstörter, um entweder hinter Oklahoma für immer zu verschwinden oder in der eigenen Mythologie zu Grunde zu gehen.

Martin Kolozs schickt seinen kaputten Helden Hans Salten durchaus mit dem Gefühl literarischer November-Figuren nach Amerika. Salten hat zu Hause in der Alpen-Provinz ein ziemlich bodenloses Gefühl mit sich selbst und vertraut sich daher einem literarischen Psycho-Therapeuten an. Dieser entdeckt bald einmal, dass er es mit einer Art Literaturwahn zu tun hat, welcher seinen Patient tagein tagaus, mit und ohne Buch verfolgt.

Ein Untertitel, der straff ins Unterbewusstsein fährt und dort Zustimmung auslöst, zwingt einen geradezu, auch den Obertitel und das ganze Buch dazu zu lesen. Denn wer kommt nicht in euphorische Zustimmung, wenn behauptet wird, dass immer die Falschen Karriere machen?

Roman Maria Koidl nennt diese Typen, die in allen Gesellschaftsschichten den Ton angeben, Blender. Und die potentiellen Leser sind also offensichtlich das Gegenteil, nämlich aufgeklärte, nicht verblendete Erscheinungspuristen.