Roman

Markus Köhle, Hanno brennt

h.schoenauer - 10.12.2012

So wie es keine eindeutigen Sachverhalte gibt, gibt es natürlich auch keine eindeutigen Wörter. Am ehesten können Wortketten im Hirn eine Art Richtung des Denkens auslösen, mehr ist im Hirn nicht drin.

Markus Köhle, der mehrfach gekrönte König der Slam Poetry schafft es mit seinem Roman, Sprachkritik, Handlung und politische Logik auf die Reihe zu kriegen.

Brigitte Jaufenthaler, Diva & Angelo

h.schoenauer - 07.12.2012

Ein Krimi kann offensichtlich in jedem Milieu spielen, weil es in jedem Milieu Abweichungen von der Moral gibt. Die provinzielle Universität Innsbruck, eingekreist von akademischen Ritualen, ist natürlich ein ideales Terrain zum Abwickeln eines Krimis mit Kleingeistern als Helden.

Brigitte Jaufenthaler lässt im Studentenmilieu recherchieren. Vinzenz, der Mini-Dozent, und Theresia, die musische Studentin, treffen an einer Bar aufeinander und beginnen akademisch verbrämt ein lustvolles Geschlechtsverhältnis. Jetzt kann man mit alpin-trivialen Namen natürlich keinen Recherche-Baum ausreißen, weshalb sich die beiden Diva und Angelo nennen.

Alfred Gelbmann, Trümmerbruch oder Die Entdeckung des glücklichen Raumes

h.schoenauer - 05.12.2012

„Ein Friedhof ist ein Friedhof. Man sollte von einem Friedhof nicht mehr erwarten, als er für die Toten bedeutet. Die Lebenden sind Gäste auf Friedhöfen.“ (50)

Alfred Gelbmann gilt als der Meister der „lapidaren Logik“, worin Selbstverständlichkeiten enträtselt werden, indem sie ähnlich dem Roman nouveau in ihre Einzelteile zerlegt werden.

David Vann, Die Unermesslichkeit

h.schoenauer - 03.12.2012

Die Seele ist ein weites Land, heißt es bei Schnitzler, und David Vann scheint die Parole ausgegeben zu haben: Die Seele ist ein wildes Land.

Im Sinne einer Robinsonade verlaufen sich Gary und Irene in der Unermesslichkeit Alaskas. Er hat einmal in Kalifornien Beowulf studiert und versucht jetzt, diese archaische Story samt ihrer schicksalshaften Sprache auf einer stürmischen Insel umzusetzen, sie hat irgendwie eine Spur indigener einheimischer Wurzeln, aber jetzt ist sie überfordert und am Ende, rasende Schmerzen in den Stirnhöhlen tun ein Übriges.

Leena Parkkinen, Nach dir, Max

h.schoenauer - 26.11.2012

Immer wieder werden in der Literatur zeitgeschichtliche Epochen aus der Sicht eines Außenseiters erzählt, man denke nur an die berüchtigte Blechtrommel, wo im wahrsten Sinne des Wortes laut von unten erzählt wird.

Leene Parkkinen erzählt eine Zirkusgeschichte aus den goldenen Zwanziger Jahren, aber die Erzählfigur nimmt alles doppelt war. Es handelt sich um den Ich-Erzähler Isaak, der mit seinem Bruder Max an der Hüfte zusammengewachsen ist.

Martin Kolozs, Immer November

h.schoenauer - 23.11.2012

Ein verstörter Held, der seine Verstörung durch einen wahnwitzigen Amerika-Trip bekämpfen will, wird in den Klassikern Kafkas, Handkes und Gerhard Roths jeweils noch verstörter, um entweder hinter Oklahoma für immer zu verschwinden oder in der eigenen Mythologie zu Grunde zu gehen.

Martin Kolozs schickt seinen kaputten Helden Hans Salten durchaus mit dem Gefühl literarischer November-Figuren nach Amerika. Salten hat zu Hause in der Alpen-Provinz ein ziemlich bodenloses Gefühl mit sich selbst und vertraut sich daher einem literarischen Psycho-Therapeuten an. Dieser entdeckt bald einmal, dass er es mit einer Art Literaturwahn zu tun hat, welcher seinen Patient tagein tagaus, mit und ohne Buch verfolgt.

Elisabeth R. Hager, Kometen

h.schoenauer - 19.11.2012

Das Leben gleicht in seiner physikalischen Unermesslichkeit tatsächlich einem Kometen, der einer geheimen Flugbahn folgend jäh am Firmament aufleuchtet und als helles Gas-Gebilde verschwindet.

Elisabeth R. Hager nimmt dieses kometenhafte Aufblitzen und Verschwinden zum Anlass, um ihre Heldin zum Leuchten zu bringen, ehe sie verglüht. Klara Bergerer, die rundherum Bubi genannt wird, erwischt in Berlin eine Droge, die sie aus den Socken wirft. Ein gewisser Hans hat ihr das Zeug eingeflößt und Bubi erfährt daraufhin einen Filmriss, in der Literatur wunderschön dargestellt mit jeweils ein paar leeren Seiten.

Andrej Kurkow, Der Gärtner von Otschakow

h.schoenauer - 05.11.2012

Eine gute Geschichte ist letztlich wie die Geschichte überhaupt nichts anderes als der Wechsel von Zeit.

In Andrej Kurkows skurrilem Roman über den permanenten Zeitenwechsel taucht allmählich das wahre ukrainische Untergrundleben glasklar hervor wie in einem Geschichtsbuch voller Verständnis und Augenzwinkern.

Bernd Cailloux, Gutgeschriebene Verluste

h.schoenauer - 25.10.2012

Im Idealfall verläuft das Leben wie ein Roman und seine Bilanzierung nimmt es mit einer korrekten Buchhaltung auf.

Bernd Cailloux nennt die Bilanz seiner fiktionalen Figuren „Gutgeschriebene Verluste“. In der Spannung dieses Begriffes steckt augenzwinkernd der Wahrheitsgehalt der Bilanz, selbst aus Verlusten lässt sich noch immer etwas Brauchbares herauslesen.

Walter Kappacher, Land der roten Steine

h.schoenauer - 30.09.2012

Neben dem Tod gilt dem gelernten Österreicher der Antritt der Pension als der Höhepunkt des Lebens.

Walter Kappacher schickt seinen Helden, den an der Pensionskippe stehenden Arzt Wessely, in drei Kapiteln zum ultimativen Lebenskick. Unter den philosophisch abgehangenen Begriffen Vita nuova (7) / De vita beata (43) / La vita breve (129) reflektiert der Held sein Leben und versucht, möglichst zeitlos und gelassen alles zu ordnen, was bisher mit ihm geschah und vielleicht noch geschehen wird.