Andrea Drumbl, Narziss und Narzisse
Das Kind schaut so lange in den Blumentopf, bis darin Narziss und Narzisse lebendig werden. Was als reine Verzierung des Balkonsimses gedacht ist, entwickelt sich zu einer Tragödie von selbstverliebten bodenständigen Figuren, die ihr Leben lang in sich angewurzelt bleiben.
Andrea Drumbl lässt ihren Roman in einem vegetativen Bogen zwischen Sommer und nächstem Frühjahr ablaufen. Von vorne herein ist klar, dass es gewisse Jahreszeiten gibt, denen man nicht entkommt. Das Schicksal der Menschen läuft ab wie die Zwiebelkomposition von Narzissen, nur dass sich mythologisch zwischendrin Selbstreflexionen bis hin zur Selbstbespiegelung draufsetzen lassen.
Vielleicht erleben wir immer neue Abschnitte bloß deshalb, um die alten zu vergessen.
Wir haben jede Menge Lehrbücher für Kinder und Jugendliche darüber, wie man Wissen und Erkenntnis erlangt und eine Persönlichkeit aufbaut, wir haben aber kaum Lehrbücher, die zeigen, wie man das Wissen wieder zur Ruhe bettet und seine Persönlichkeit auflöst.
Wenn man bedenkt, dass ein wesentlicher Teil der Geschäftsabschlüsse und Staatsverträge auf den Matratzen entschieden wird, ist es nur allzu logisch, diesem Utensil unter den Lenden eine gewisse staatstragende Kraft zuzusprechen.
Zum Unterschied vom Roman lassen sich bei Erzählungen oft besonders markant die typischen Erzähl-Fräsungen eines Autors feststellen, weil ja jede Erzählung wieder von null beginnt und jedes Mal der ganze Handwerkskoffer ausgepackt werden muss.
In der Psychiatrie des 18. Jahrhunderts gilt der Narrenturm als eine durchaus moderne Einrichtung, um die gestörten Persönlichkeiten industriell zu beobachten und zu bewachen. In der Literatur gilt der Narrenturm folglich als Chiffre für einen erhöhten Erzählstandpunkt, von dem aus die Zuwendung für diverse Helden und Situationen gesteuert werden kann.
Kriege haben die ungute Eigenschaft, dass sie sich zwar beginnen aber niemals beenden lassen. Ein Krieg wirkt nicht nur in den Erinnerungen über Generationen nach, auch handfeste Minen, vergrabene Bomben und nicht gezündete Sprengstoffe devastieren oder verstrahlen ein Land oft über Jahrzehnte.
Es gibt keine absoluten Wahrheiten, alles, was wir für wahr halten sind letztlich mehr oder weniger geschickte Arrangements.
In der Literatur gibt es letztlich nur zwei Themen: Liebe und Tod. Wenn das Leben ausgeistert, fällt alles ab und diese beiden bleiben übrig.
Wer glaubt, Tragödien mit elementarer Schicksalsherausforderung könnten nur in hohen Position oder sozialen Randlage auftreten werden, ist wohl in die Irre geführt. Die höchsten Anforderungen an das Leben stellen sich immer aus heiterem Himmel heraus bei Sonnenschein.