Beziehung

Andrea Drumbl, Die Vogelfreiheit unter einer zweiten Sonne

h.schoenauer - 17.12.2014

Die Vogelfreiheit ist ein zweischneidiges Schwert, zwar ist optisch auf den ersten Blick alles eitler Sonnenschein, aber noch vor dem Horizont sind Fallen und dunkle Wolken aufgebaut.

Andrea Drumbl wählt bewusst einen barock-komplizierten Titel, denn ihre Figuren denken die griffigen Bilder aus Kindheit und Glückskunde zu Ende und kommen dabei an den Abgrund der Schönheit. „Die Vogelfreiheit unter einer zweiten Sonne, weil die erst scheint zu schön“ führt hinein in jenes Gebiet, wo das Oberflächliche an seine Grenzen kommt und der Tiefgang von was auch immer beginnt.

Erwin Uhrmann, Ich bin die Zukunft

h.schoenauer - 12.12.2014

Je unübersichtlicher die globale Verknüpfung der Lebensabläufe ausfällt, umso realistischer werden die Robinsonaden, die wir an manchen Tagen wie Überlebensbücher lesen.

Erwin Uhrmann erzählt auf der ersten Ebene von einem Aussteiger, der in die Berge flüchtet. Der Ich-Erzähler Sebastian Leitner hat sein Schicksal zu sehr mit dem Geld verknüpft, nach einer Kreditklemme klemmt es auch in seiner Ehe, seine Kindheit erscheint ihm zerknittert, kurzum, er macht sich auf den Weg ins Gebirge und mietet sich im Berghaus bei einer Frau Dora ein.

Otto Tremetzberger, Nelson Mandela hatte vielleicht eine schöne Zeit auf Robben Island

h.schoenauer - 08.12.2014

Das pure Gefängnis ist letztlich ein Zeitloch, in das der Gefangene gestürzt wird.

Otto Tremetzberger beginnt seine Erzählung mit einer beinahe religiös idyllisierten Erlösungssequenz. Nelson Mandela ist auf Robben Island eingesperrt und hat jeden Zeitbegriff verloren. Die Vergangenheit ist in Gestallt von alten Zeitungen um den Abfluss gewickelt, die Nachrichten, die Zeit und die ausgerissene Zeitung sind ins Unermessliche entrückt.

Herbert Rosendorfer, Martha. Von einem schadhaften Leben

h.schoenauer - 05.12.2014

In entlegenen Landstrichen herrschen unabhängig von den jeweiligen Regierungen in den Zentren völlig autarke Geister, die in ihrer Hilflosigkeit von den Bewohnern Dämonen genannt werden.

Herbert Rosendorfer stellt in seinem letzten, beinahe vollkommen fertig gewordenen Roman „Martha, Von einem schadhaften Leben“ eine kluge These auf. Während wir in der Geschichtsschreibung immer von politischen Regimen und Quell-erfassten Protagonisten sprechen, regieren in der Peripherie oft ganz andere Mächte. Im Südtiroler Vinschgau sind dies die steinernen Mächte, die unbeirrt von der jeweils gültigen Landessprache ihre Untertanen in der Kunst des Überlebens unterweisen.

Hans Platzgumer, Korridorwelt

h.schoenauer - 03.12.2014

Ein Korridor gilt in Tirol als etwas besonders Exklusives und Wertvolles, Jahrzehntelang sind beispielsweise die Osttiroler mit einem Korridorzug unter Ausschluss der Realität von Lienz nach Innsbruck gefahren, ehe man dem Zug seinen Korridor-Charakter genommen hat.

In Hans Platzgumers „Korridorwelt“ ist ähnlich exklusiv wie bei den Osttirolern eine eigene Welt gemeint, die sich nur dem Korridorbewohner erschließt. Der Held Julian Ogert nämlich lebt in Amerika eine Zeitlang als Straßenmusikant in einer eigenen Welt. In Los Angeles ist dieser Held für eine gewisse Zeit zur Ruhe gekommen und stellt fest, dass man einen Fluchtpunkt ständig verlegen muss, sonst ist es keiner mehr. (101)

Margit Kröll, Zufallsopfer

h.schoenauer - 01.12.2014

Obwohl man Land und Leuten von Tirol letztlich alles zumutet, ist man doch immer wieder überrascht, wenn sich in der Literatur ein Fall zu einem Weltproblem aufschaukelt.

Margit Kröll zeigt in ihrem Hypo-Roman „Zufallsopfer“ recht eindringlich, wie das Verbrechen überall zuschlägt, wo es um Geld geht. Und da es besonders in Tirol Tag und Nacht um Geld geht, ist auch das Verbrechen immer auf dem Sprung zum nächsten Auftritt.

Konrad Paul Liessmann, Geisterstunde

andreas.markt-huter - 21.11.2014

„Wie bei allen Phrasen besteht bei ihrem inflationären Gebrauch die Möglichkeit, dass sie nicht beim Wort genommen werden dürfen. Wie aber wäre es, wenn man einmal darüber nachdächte, inwiefern Bildung zum Glück der Menschen tatsächlich etwas beitragen kann?“ (7)

Was bedeutet es, wenn nicht mehr über Bildung, sondern nur mehr über deren Reform gesprochen wird, wenn nicht mehr Inhalte und Wissen sondern Kompetenzen vermittelt werden sollen, die sich allein am Maßstab der Nützlichkeit orientieren, der wiederum an den ständig wechselnden ökonomischen Bedürfnissen ausgerichtet wird?

Piersandro Pallavicini, Ausfahrt Nizza

h.schoenauer - 19.11.2014

Da das Leben die Figuren steuert und nicht umgekehrt, kommt es am Lebensende meist zu Entgleisungen der skurrilen Art.

Piersandro Pallavicini kümmert sich in seinem Roman „Ausfahrt Nizza“ um jenen Notausgang, durch den vorzugsweise in der Literatur die Figuren geschleust werden, wenn das Leben verbockt ist und zu Ende geht. Zwei gut abgehangene Ehepaare und ein Witwer als Ehe-Restl rasen in einer Oldie Rallye nach Nizza, um das erlauchte Ambiente, die Restaurants mit Senioren-Touch und die eleganten Kliniken unter Palmen zu genießen.

Lydia Mischkulnig, Vom Gebrauch der Wünsche

h.schoenauer - 17.11.2014

Biographien entwickeln sich selten geradlinig, meist kreisen sie um ein paar Ur-Ereignisse und wer Glück hat erfährt auch noch zu Lebzeiten, worum er kreist.

Lydia Mischkulnig stellt in ihrem Roman „Vom Gebrauch der Wünsche“ ein Männerherz vor, das vor allem von Frauen betreut wird, nachdem es von einem Lebenskünstler enttäuscht worden ist.

Friedrich Hahn, Wie es im Buche steht

h.schoenauer - 10.11.2014

Ein Buch geht üblicherweise nach hinten oder nach vorne los. Nach hinten schauen die Romane wie Tagebücher und erzählen dabei von bereits geschehenen Ereignissen, nach vorne blicken die prognostischen Romane und liefern eine Art Drehbuch, wie die Zukunft ablaufen könnte.

Friedrich Hahn vereint in seinem Roman „Wie es im Buche steht“ beide Erzählrichtungen, zum einen kriegen die Helden ein Schicksal, als ob sie alles realiter erlebt hätten, zum anderen aber steht alles, was noch passieren wird, in einem Buch, das quasi mit Leben abgearbeitet werden muss.