Hannes Hofinger, Erdbeere mit Flieder
An der Schwelle zum Herbst des Lebens reißen sich in der Literatur die Helden oft noch alle Abenteuer vom Leib und versuchen kontemplativ auf den unsterblichen Sinn des Daseins zu stoßen.
Hannes Hofinger nimmt mit dem fruchtigen Titel „Erdbeere mit Flieder“ den Helden Daniel Hiob ins Visier, der schon allein durch seinen Namen ein Programm zwischen Kampf und Niederschlag mit sich durchzieht.
Der Protagonist Daniel ist Buchhändler und stammt „aus dem barocksten aller barocken Orte des Unterlandes“. (19) Das hat zur Folge, dass er in einem vom üppigen Treiben der Kirche geprägten Ambiente einerseits die verstohlenen Glücksmomente seines Internatslebens hintennach würdigen soll, andererseits als Buchhändler auf der Frankfurter Buchmesse die Aufklärung und den Freigeist der Welt einkaufen soll.
So diskutiert der Held immer wieder mit dem Pater Clemens über die wahre Kraft der Religion und nimmt sich auf der Buchmesse den erotischen Teil mit einer Buchhändlerkollegin zur Brust. Bei einem fiktional durchgespielten Attentat wird er sogar verletzt, als der israelische Geheimdienst einmal den Spieß umdreht und einen arabischen Buchstand in die Luft sprengt.
Die Abenteuer eines Buchhändlers spielen sich naturgemäß im Kopf ab, in unendlichen Diskussionen wird die Welt essayistisch aufgerollt und mit zum Teil kühnen Gedanken konfrontiert. „Sicherheitsgurte können Krebs verursachen“ (24) lautet eine plakative Formel, die darauf hinweist, dass jemand, der durch den Sicherheitsgurt bei einem Unfall zwar gerettet wird, später vielleicht Krebs bekommt, der ihm bei einem frühen Tod erspart geblieben wäre.
Privat überschlagen sich die Ereignisse, als die Tochter bei einem Verkehrsunfall um Leben kommt und die Frau esoterisch ausrastet. Daniel hebt das ganze Geld ab und begibt sich in die Hände der Air-India, um bei einem Guru das finale Glück zu suchen.
Natürlich bringt auch der Guru letztlich nichts, außer dass er expandiert und im Alpen-Dorf ein Guru-Center errichtet, in dem so ziemlich alle angeschlagenen Typen Unterschlupf finden. Auch dem Pater wird es allmählich zu eng in seiner Kutte, in einem hormonellen Kraftakt entledigt er sich öffentlich seines priesterlichen Kragens und wird in Zukunft unauffällig glücklich werden.
Hannes Hofinger erzählt essayistisch verdichtet hunderte sogenannte Sinngespräche, die ein denkender Mensch mit mehr oder weniger Alkohol im Laufe seines Lebens zusammenstöpselt. Dabei gibt es wie bei der Nachspeise eines Menüs Modeerscheinungen, die ein luftiges Flair verströmen. Erdbeere mit Flieder sagt es sehr genau, wonach wir alle suchen, ohne zu erklären, was es ist. – Luftig-ironische Philosophie!
Hannes Hofinger, Erdbeere mit Flieder.
Norderstedt: BOD 2012. 152 Seiten. EUR 14,90. ISBN 978-3-8482-5232-9.
Weiterführender Link:
BOD: Hannes Hofinger, Erdbeere mit Flieder
Helmuth Schönauer, 20-12-2012