Belletristik und Sachbücher

Heinrich Klier, Verlorener Sommer

h.schoenauer - 18.01.2006

Buch-Cover„Ich werde, wenn’s hoch geht, noch zwanzig Jahre lang klettern gehen können. In jedem Jahr gibt es vielleicht zehn solcher Klettersonntage wie den verpatzten gestrigen. Zehn mal zwanzig sind zweihundert. Was sind zweihundert schöne Sonntage? Nichts, ein Wischer übers Gesicht. Ein Glück, dass ich in Innsbruck zur Welt gekommen bin, wo die Berge vom Stadtrand emporwachsen, oder besser – die letzten Häuser schon droben auf den Bergen stehen.“ (25)

Heinrich Klier hat mit seinem 1954 erschienen Roman „Verlorener Sommer“ vermutlich eine neue Literaturgattung eingeführt, den fiktionalen Routenplaner. Verlorener Sommer ist einerseits eine grandiose Schilderung von konkreten Bergrouten ins Karwendl, aufs Matterhorn oder überhaupt durchs Wallis, andererseits ist es ein mit dürrem Erzähldraht zusammen gewickelte Liebesgeschichte, in der es nur so von Steinschlägen und Blitzeinschlägen wummert.

Andrej Kurkow, Die letzte Liebe des Präsidenten

h.schoenauer - 16.01.2006

Buch-CoverVollrausch ist immer ein guter Start, da werden die Spielregeln gleich einmal gebrochen, ehe sie noch aufgestellt sind.

Andrej Kurkows Roman über Liebe, Macht und Wahnsinn eines ukrainischen Präsidenten beginnt daher logischerweise mit einem Vollrausch. Jeder Präsident ist nämlich in seiner Jugend einmal ein echter Mensch gewesen. Auch Sergej Stepanowitsch hat in seiner Jugend ordentlich gebechert, und in so einer Phase trifft er auf offener Straße auf den puren Rechtsverkehr.

Adalbert Stifter, Liebespost

h.schoenauer - 14.01.2006

Buch-CoverEin Jubiläumsjahr ist für einen längst verstorbenen Dichter immer so etwas wie für einen Hundertjährigen ein Gesundencheck. Wenn es ein Dichter einmal geschafft hat, in den offiziellen Literaturkanon einzugehen, ist er quasi gesund, und die kleinen Wehwehchen nimmt man mit Schmunzeln zur Kenntnis.

Im Jahr 2005 hat der gute alte Stifter seinen Gesundencheck erhalten, es ist gut ausgegangen, er ist lieb und kauzig und wir mögen ihn alle. Übrig geblieben bis zum nächsten Jubiläum sind jede Menge Bücher, von reloadet über Böhmen bis zur Liebespost.

Daniel Banulescu, Ich küsse dir den Hintern, Geliebter Führer!

h.schoenauer - 03.01.2006

Buch-CoverSo genannte wahnsinnige Romane können am ehesten ein wahnsinniges System beschreiben im Sinne einer authentischen Dokumentation. Diese Superfiktionen können aber auch dazu dienen, so genannten normalen Systemen einen Spiegel vorzuhalten und zu zeigen, wie letztlich jede politische Zelebration mit einem Schuss Irrwitz unterlegt ist.

Daniel Banulescus erster Teil einer satten Trilogie über das perverse System der Ceausescus hält sich scheinbar an keine Logik, und trifft deshalb die Geschichte am genauesten.

Beatrice Simonsen (Hrsg.), Grenzräume

h.schoenauer - 02.01.2006

Buch-CoverWenn Bozen 2019 Kulturhauptstadt werden sollte, was erzählen wir dann Europa? - Wieder einmal ist es der Kulturphilosoph Armin Gatterer, der eine Frage der Zukunft mit Literatur in Verbindung bringt, üblicherweise rennt die Literatur ja bereits abgehangenen Geschichten und Stimmungen nach.

In der Antwort auf seine Frage stellt Armin Gatterer den Begriff der Narrativität, die Kunst des Erzählens in den Mittelpunkt. Vielleicht sind gerade die ziemlich wortverkümmerten, grobschlächtig in drei Sprachschalen zum Dünsten ausgebreiteten Südtiroler die idealen Erzähler. Denn Themen gibt es seit Jahrhunderten genug: Transit, Handel, Geschäfte, Kulturfluss, in die Heimat kommen und von ihr gehen.

Ilma Rakusa, Langsamer!

h.schoenauer - 31.12.2005

Buch-CoverLangsamer! – Die Tante im Hintergrund kann noch so rufen, das Kind wird es dennoch auf die Schnauze hauen.

Irgendwie erinnert dieses literarische „Langsamer!“ an eine germanistisch-slavistische Tante, welche diesen betulichen Befehl jenen zuruft, die ohnehin schon langsam sind, nämlich den Lesern von heruntergefahrenen Texten von Verzögerungsautoren.

Heinrich Klier, Silber für die braune Göttin

h.schoenauer - 28.12.2005

Buch-CoverBestseller aus vergangenen Zeiten vermitteln bei der aktuellen Lektüre dieses spannende Knacksen, wenn die Patina durch heftigen Lichteinfall aus der Gegenwart aufspringt. Heinrich Kliers Bestseller aus dem Jahre 1964 liest sich nach vierzig Jahren wie eine Gebrauchsanweisung zur Eroberung der Alpen.

In der Hülle dieser Eroberungsgeschichte stecken kaum getarnt ein Gebirgs-, Abenteurer- Indio-, Liebes- und Schürfroman. So gut wie alles, was die damalige Fiktionslehre herzugeben vermochte, ist in diesem „Silber für die braune Göttin“ eingeschmolzen.

Bertrand Huber, Maia

h.schoenauer - 28.12.2005

Buch-CoverTheater ist einerseits ein Stück, das man als Leser oder Zuschauer an einem Abend sieht oder liest, und ist andererseits ein Prozess. Zu dem hier vorliegenden Stück „Maia“ muss man sich als Leser noch jene Spannung hinzu denken, die zwischen den Generationen herrscht. Denn Maia ist ein Jugendstück, das ein Lehrer für seine Schüler geschrieben hat, damit diese durch das Theaterspielen mit der fiktionalen Welt in Kontakt treten können.

Das Stück spielt in jener Unerreichbarkeit, worin sich Jugendliche befinden, ehe sie in die Welt der Erwachsenen eingelassen werden.

Beppo Beyerl, Die Eisenbahn

h.schoenauer - 26.12.2005

Buch-CoverDie Eisenbahn ist wahrscheinlich der trivialste Mythos, mit dem wir es in einer Gesellschaft zu tun bekommen. Auf Österreichisch heißt das, es gibt den Mythos vom politisch upgedateten Eisenbahner, den Mythos von Pionierleistungen im Streckenbau, den Mythos starker Lokomotiven und den Mythos einer starken Zukunft der Eisenbahn überhaupt.

Beppo Beyerl räumt mit diesen Mythen ziemlich salopp auf, wahrscheinlich gelingt ihm das deshalb so gut, weil er erstens genau recherchiert hat, und zweitens seine Erfahrungen als aktiver Bahnbenützer authentisch sind.

Helmuth Schönauer, Afterschock Schwere HTML-Gedichte

andreas.markt-huter - 21.12.2005

Buch-CoverEin Gedichtband wie geschaffen für das Internet. Da wechselt das lyrische Ich wie ein Surfer in den Wellen des Internets von einem Thema und von einem Ort zum nächsten, um schließlich ganz unverhofft mit neuer Maske wieder zurück zu kehren. Da heißt es anschnallen und festhalten.

Allen LeserInnen die es genau wissen wollen erhalten in einem Notglossar eine ultimative Verständnishilfe für die wichtigsten lyrischen Begriffe: ?Afterschock, das Nachbeben das naturgemäß mehr Entsetzen auslöst als das Erstbeben, zwar ist der Innovationswert geringer, dafür aber der Schock umso größer.? oder ?Lyrisches Ich: Entsteht bei der germanistischen Spaltung eines Schizoids, flüchtet oft in ein Gedicht und benimmt sich darin unberechenbar.?