Belletristik und Sachbücher

Gerhard Kofler, Selbstgespräch im Herbst

h.schoenauer - 20.09.2005

Buch-CoverVierzig Gedichte sind bei Gerhard Kofler natürlich mindestens hundertzwanzig. Man muss die Gedichte einmal in den beiden Sprachen Italienisch und Deutsch zählen und dann noch als Atmosphäre, die zwischen diesen Sprachen herrscht.

Immer wieder wird in Fußnoten auf die feinen Anspielungen hingewiesen, die zwischen den Zeilen und Sprachen herumsurren, der italienische Dichter Torquato Tasso etwa kann auch ein Baum oder ein Dachs sein. (25)

Helene Flöss, Brüchige Ufer

h.schoenauer - 19.09.2005

Buch-CoverDie Geschichte als rauschender Fluss, der immer wieder das Ufer annagt, und wer zu knapp am brüchigen Ufer steht, wird mitgerissen oder überschwemmt!

Helene Flöss erzählt irgendwie die Burgenländische Landesgeschichte anhand einer Dummy-Familie, die zwischen 1900 und der Gegenwart quasi Crash-Tests mit der Geschichte durchführt. Fixpunkte sind jeweils Begräbnisse, jemand wird begraben, und während der Sarg in die Tiefe rasselt, setzt seine Story ein.

Heinz D. Heisl, Wohin ich schon immer einmal wollte

h.schoenauer - 18.09.2005

heisl_wohin.jpgHeinz D. Heisls Eisenbahngeschichten handeln meist von einem Ich, das zwischen Zürich und Innsbruck unterwegs ist. Aber dem Erzähler gehen schon manchmal auch die Garnituren durch, die dann in ihren Sitzfahrplänen von weit entfernten Städten berichten und das Herz quer durch Europa flitzen lassen.

Auf den ersten Blick sind die Schaffner so genannte Zugbegleiter, aber wenn sie reden, outen sie sich als geheime Kafka-Experten oder als Philosophen grotesker Erscheinungen. Und auch der Erzähler neigt zum Obskuren und geht sich zwischendurch selber auf dem Leim.

Krista Hauser, Ruth Drexel

h.schoenauer - 18.09.2005

Was soll man über eine Schauspielerin, die man vor allem hört und sieht, schriftlich sagen? Krista Hauser legt ihre Biographie einer großen Schauspielerin wie einen Brunnen an, woraus das Theaterleben über mehrere große Themenbecken abfließt.

Im ersten Teil werden die TV-Kultserien vorgestellt, in welchen Ruth Drexel unsterblich geworden ist. Vor allem die schnaufende Mama vom Bullen von Tölz hat das Genre der Mutter eines überständigen Fettkindes zeitgenau getroffen.

Siegfried Nitz, dazwischen

h.schoenauer - 17.09.2005

"Dazwischen / auf der Fahrt ins Dorf / kein Wort." (100) Siegfried Nitz geht in seinem Fabriks-Dorf-Roman jenen Fugen nach, die zwischen den Erzählplatten liegen, er schaut gewissermaßen nach, was in den Klusen der glatten Verfliesung verborgen ist.

Zu diesem Zweck wählt er die Erzählmethode eines kollektiven Gesprächszettelkastens. Eine Stimme erzählt etwas, eine andere fügt eingerückt etwas hinzu, dann gibt es wieder Material aus einer Chronik. Der Roman setzt sich letzten Endes aus 39 Vitrinen zusammen, in denen Fußnoten zu verloren gegangen Schaustücken ausgestellt sind.

Elias Schneitter, Frühstück mit Sonnenbrille

h.schoenauer - 16.09.2005

Buch-CoverHinter den Prospekten vom schönen Dorf gibt es jene sozialen Everglades, in denen einsame Jäger ihre Dosenbiere trinken und den Alligatoren beim Dösen zusehen.

In Elias Schneitters skurrilem Roman sitzen ein paar Figuren am Rande des Dorfes und zerkugeln sich vor Lachen. Nicht umsonst heißt ihr Headquarter für geistige Getränke "Kugellagerbar", eine Bar, von der die kreisförmigsten Gedanken ausgehen. Heißt sie jetzt so, weil einmal ein Mechaniker mit Kugellagern darin gearbeitet hat, oder weil sich alles wie geschmiert im Kreis dreht, oder weil man sich wirklich zerkugelt?

Jochen Jung, Venezuela

h.schoenauer - 13.09.2005

Buch-CoverMein Vater war ein Nazi! - So beginnen mittlerweile tausende Aufarbeitungsromane und dieser Satz ist längst zum schönsten in der deutschen Gegenwartsliteratur gekrönt worden. Aber Jochen Jung gehört dieses mal nicht zu den üblichen Autoren, die sich die Vergangenheit vom Leib schreiben, er nimmt diese literarischen Aufarbeitungsmythen selbst zum Thema für eine Groteske.

Im kleinen Venezuela-Roman wird das Groteske doppelt behandelt, einmal als Thema und dann in der Vorführweise. Die Geschichte wird nämlich nicht erzählt sondern am Nasenring vorgeführt.

Dirk Stermann, Die Speibbanane

h.schoenauer - 11.09.2005

Buch-Cover

Das wichtigste Buch, das bei der Tiroler Landesausstellung 2005 über die Zukunft von Tirolern, Hotels und die Natur überhaupt Auskunft gibt, stammt sinnigerweise von einem Kabarettisten. Die Speibbanane hat Dirk Stermann seiner Tochter Hannah gewidmet und ist ein imposantes Vergnügen für Kinder ab drei Jahren und qualifizierte Vorleser.

Eine Banane wird eines Tages von der Staude geholt und auf Reise geschickt. (Heraus aus den Stauden, würde an dieser Stelle ein Tiroler Politkomiker sagen.) Im rumpelnden Container reist es sich nicht besonders gut auf LKW und Schiff, so dass der Banane schlecht wird. Ihr ist zum Speiben, und sie sagt das auch bei jeder Gelegenheit.

Manfred Wieninger, Der Engel der letzten Stunde

h.schoenauer - 11.09.2005

Buch-CoverDer Überkrimi schert sich nicht um Plot oder Leichen, sondern saugt wie ein überdimensioniertes Argusauge die Stimmung aus den letzten Winkeln einer Gegend. Der Kommissar oder Privatdetektiv dient in solchen Romanen als Ansaugdüse, um Dreck, schlechte Stimmung und Ödnis aufzustöbern.

Marek Miert lebt in der Tristesse Ostösterreichs, sein Empfindungszustand lässt sich am besten mit seinen eigenen Worten beschreiben: "Ich hatte prähistorische, holländische Glashaus-Oliven gefrühstückt, einen Rest bulgarischen Knäckebrotes aus dem Sonderangebot und schlechte Laune, denn ich hatte während der angeblich wichtigsten Mahlzeit des Tages meine Kontoauszüge studiert." (6)

Hannes Vyoral, Aus der Wildnis Gedichte

h.schoenauer - 10.09.2005

vyoral_wildnis.jpgIn Hannes Vyorals Gedichtband kommt die Wildnis von zwei Seiten, einmal vom Waldviertel und ein weiteres Mal von der Winterpuszta des Burgenlandes. Beide Gegenden gelten als die Wildnis Österreichs und sind irgendwie ideale Schauplätze für Lyrik der Reduktion und des konzentrierten Lebens. Tatsächlich geht es oft um Sonnenstände, Witterungen, Windlagen, die rund um das zurückgefahrene Leben kreisen, oft ist eine leichte Drehung des Tages im Kalender die einzige Veränderung.

Aber wenn einmal das Holz bereitet ist, der Kienspan flackert und die klamme Feuchtigkeit sich immer weiter zurückzieht, ist Platz für wunderbare Augenblicke der Liebe. Die Herzen, plötzlich befreit vom Schnickschnack der üblichen Welt, beginnen klar zu schlagen, zielgenau und ausdauernd.