Belletristik und Sachbücher

Anna Stecher, zouba!

h.schoenauer - 30.09.2005

Buch-CoverWas wir im Tirolerischen Dialekt als sachte Anmache empfinden, etwa "Ruck zouba!", ist in diesem Buch chinesisch und heißt "Gehen wir!"

Die Südtiroler Autorin Anna Stecher hat ihre bisherigen Studien in Peking auch dazu genützt, uns in den Tälern hinten Gebliebenen etwas im chinesischen Stil zu erzählen. Zu diesem Zwecke verwendet sie das Vehikel der Sanwen-Prosa, das sind lose Schriften, die mal als Tagebucheintragung daherkommen, als schlichte Prosazelle oder als phantastische Traumnotation ohne dramaturgisches Korsett.

Dine Petrik, Bibliotheca Alexandrina

h.schoenauer - 28.09.2005

Buch-CoverWie kann ein einzelnes Ich das Universum des Lesens aushalten? Wie stürzt die ewige Geschichte durch das Nadelöhr der Gegenwart? Wie klettert man in Begeisterung über Kontinente von Schrift, ohne die Orientierung zu verlieren?

Dine Petrik hat als reisendes Ich die Bibliothek von Alexandria besucht und in einem Reise-Essay die Geschichte der Bibliothek, die Magie von Schrift und die Erlebniskraft einer Reise zu Buche gebracht.

Stanislav Struhar, Eine Suche nach Glück Roman

h.schoenauer - 26.09.2005

Buch-Cover

Im Schloss von Franz Kafka treten ab und zu zwei Trottel auf, die den Landvermesser in seiner Suche nach dem Glück im Schloss stören. An diese zwei Deppen muss man denken, wenn in Stanislav Struhars Roman zwei ausgerastete Männer aus dem Verlagswesen eine Frau belästigen, die gerade auf offener Straße geistig ein wertvolles Buch lektoriert.

An dieser Stelle wird es für den Ich-Erzähler Zeit, einzugreifen. Er rettet die Frau vor der Belästigung und bringt sich selbst ins Spiel, indem er sich zwei Finger bricht.

Wolfgang Brunner, manifesto vigilancia

h.schoenauer - 25.09.2005

Buch-CoverManifesto vigilancia kann man vielleicht als lyrisches Überwachungsprotokoll übersetzen. Wolfgang Brunners Gedichte sind nämlich vom Schriftbild her gesehen als Protokoll angefertigt, das ein rasch tippender Polizist nach einem Ereignis in Echtzeit zu bewältigen versucht. Die Szenerie ist oft recht unaufällig, aber eine Kleinigkeit ist dann unsachgemäß installiert und evoziert ein Gedicht.

Raucher stehen bei schrecklichen Minusgraden am Balkon und fühlen sich berauscht, aber sie überschätzen die Lage und kennen sich plötzlich nicht mehr aus. Eine Bar zum Liebhaben wird eingerichtet und schon zeiht sich eine Bratenspur aus Altöl bis hinauf zur Staumauer, dahinter hat sich das Brennnesselland versteckt.

Andrea Grill, Der gelbe Onkel Ein Familienalbum

h.schoenauer - 25.09.2005

Buch-CoverEs gibt bekanntlich nichts Witzigeres als ein Familienalbum. Die Angehörigen sind meist in verlogenen oder überdimensionierten Posen aufgestellt, und während man als Mitverwandter vorne devot an der Fassade ihrer Gesichter hängen bleibt, erzählt man sich hintenrum die schrägsten Geschichten.

Der gelbe Onkel leidet, wie es sich für einen echten Onkel gehört, an einem schweren Leberschaden und ist ganz gelb im Gesicht. In Andrea Grills Familienalbum nimmt er sicher einen Spitzenplatz an Extravaganzen ein, zumal er noch auf das Wort ?beige? abfährt, offensichtlich ist das die Eigenbeschreibung für sein gelbes Gesicht.

Gerhard Kofler, Selbstgespräch im Herbst

h.schoenauer - 20.09.2005

Buch-CoverVierzig Gedichte sind bei Gerhard Kofler natürlich mindestens hundertzwanzig. Man muss die Gedichte einmal in den beiden Sprachen Italienisch und Deutsch zählen und dann noch als Atmosphäre, die zwischen diesen Sprachen herrscht.

Immer wieder wird in Fußnoten auf die feinen Anspielungen hingewiesen, die zwischen den Zeilen und Sprachen herumsurren, der italienische Dichter Torquato Tasso etwa kann auch ein Baum oder ein Dachs sein. (25)

Helene Flöss, Brüchige Ufer

h.schoenauer - 19.09.2005

Buch-CoverDie Geschichte als rauschender Fluss, der immer wieder das Ufer annagt, und wer zu knapp am brüchigen Ufer steht, wird mitgerissen oder überschwemmt!

Helene Flöss erzählt irgendwie die Burgenländische Landesgeschichte anhand einer Dummy-Familie, die zwischen 1900 und der Gegenwart quasi Crash-Tests mit der Geschichte durchführt. Fixpunkte sind jeweils Begräbnisse, jemand wird begraben, und während der Sarg in die Tiefe rasselt, setzt seine Story ein.

Heinz D. Heisl, Wohin ich schon immer einmal wollte

h.schoenauer - 18.09.2005

heisl_wohin.jpgHeinz D. Heisls Eisenbahngeschichten handeln meist von einem Ich, das zwischen Zürich und Innsbruck unterwegs ist. Aber dem Erzähler gehen schon manchmal auch die Garnituren durch, die dann in ihren Sitzfahrplänen von weit entfernten Städten berichten und das Herz quer durch Europa flitzen lassen.

Auf den ersten Blick sind die Schaffner so genannte Zugbegleiter, aber wenn sie reden, outen sie sich als geheime Kafka-Experten oder als Philosophen grotesker Erscheinungen. Und auch der Erzähler neigt zum Obskuren und geht sich zwischendurch selber auf dem Leim.

Krista Hauser, Ruth Drexel

h.schoenauer - 18.09.2005

Was soll man über eine Schauspielerin, die man vor allem hört und sieht, schriftlich sagen? Krista Hauser legt ihre Biographie einer großen Schauspielerin wie einen Brunnen an, woraus das Theaterleben über mehrere große Themenbecken abfließt.

Im ersten Teil werden die TV-Kultserien vorgestellt, in welchen Ruth Drexel unsterblich geworden ist. Vor allem die schnaufende Mama vom Bullen von Tölz hat das Genre der Mutter eines überständigen Fettkindes zeitgenau getroffen.

Siegfried Nitz, dazwischen

h.schoenauer - 17.09.2005

"Dazwischen / auf der Fahrt ins Dorf / kein Wort." (100) Siegfried Nitz geht in seinem Fabriks-Dorf-Roman jenen Fugen nach, die zwischen den Erzählplatten liegen, er schaut gewissermaßen nach, was in den Klusen der glatten Verfliesung verborgen ist.

Zu diesem Zweck wählt er die Erzählmethode eines kollektiven Gesprächszettelkastens. Eine Stimme erzählt etwas, eine andere fügt eingerückt etwas hinzu, dann gibt es wieder Material aus einer Chronik. Der Roman setzt sich letzten Endes aus 39 Vitrinen zusammen, in denen Fußnoten zu verloren gegangen Schaustücken ausgestellt sind.