Belletristik und Sachbücher

Edgar Hilsenrath, Das Märchen vom letzten Gedanken

h.schoenauer - 29.05.2005

Buch-CoverEdgar Hilsenrath ist in der Literatur ein beinahe schon unheimliches Unikat. Je schärfer das Schicksal zuschlägt, umso witziger wird er, könnte man plakativ sagen. Seine Texte haben im schmerzlichen Fundament die Schrecknisse des Holocaust eingegossen, aber darüber versuchen sie rettend skurril schräge Geschichten zu erzählen.

Jetzt ist das Gesamtwerk in einer gepflegten Ausgabe erschienen, das Hauptwerk ist darin "Das Märchen vom letzten Gedanken". Hier liegt die Überlegung zugrunde, dass es am Ende des Lebens einen Gedanken gibt, der zeitlos alles erklärt und gültig macht. Im Märchen vom letzten Gedanken sucht dieser Gedanke die Geschehnisse um den Völkermord an den Armeniern 1915 auf. Vielleicht kann man über den Holocaust sprechen, wenn man ganz woanders hinfliegt, lautet die Überlegung.

Andrej Blatnik, Der Tag, an dem Tito starb

h.schoenauer - 25.05.2005

Buch-Cover

Spitze Erzählungen fahren ins Blut wie Infusionen, es tut gar nicht weh und zagg, ist die Geschichte schon drin.

Andrej Blatnik setzt seine Spritzen beinahe schmerzfrei unter die Haut des Lesers, aber die Wirkung ist grandios. Ein Drummer klopft mit einem einzigen Schlag die Welt in ihre Musik-Atome auseinander, dabei ist die Musik generell sehr angenehm, das Publikum schwelgt in Wellness und wird wiederkommen.

O.P. Zier, Vom Diesseits der Wünsche ins Jenseits ihrer Erfüllung

h.schoenauer - 25.05.2005

Buch-Cover

Umgekehrt springen! Vom sicheren Land aus auf ein sinkendes Schiff etwa! Für O.P. Zier ist dieser absurde Rettungsgedanke eine stets griffbereite Reißleine, um der Literatur ihre bodenlose Festigkeit zu beweisen.

Schon einmal (1988) hat er einen Gedichtband "Der rettende Sprung auf das sinkende Schiff?"genannt, jetzt dient dieses Gedicht als Aufhänger für jene seltsamen Wünsche, die im Diesseits gefasst werden und im Jenseits versickert sind in ihrer Erfüllung.

Magdalena Kauz, wortgestöber

h.schoenauer - 23.05.2005

Buch-CoverWortgestöber! Da ist man als Leser sofort drin in einer heftig aufgerührten Landschaft, wie sie vielleicht Paul Flora durch die Winter schickt, oder man denkt an ein Kinderlied, wo es draußen heftig zugeht und drinnen in "Muaters Stübele" sitzt die Wärme.

In den Gedichten von Magdalena Kauz stürmt es von Anbeginn heftig, das erste Gedicht fetzt ohne Punkt über die blanke Seite,

Robert Zeppel-Sperl / Herbert Szusich, Zeppel Bilder Szusich Rahmen

h.schoenauer - 23.05.2005

Buch-Cover

An manchen Tagen besteht das Leben bloß aus Rahmen ohne Inhalt, dann wiederum hängt der Inhalt ohne Rahmen in der Gegend herum.

Wir feiern oft gesellschaftliche Ereignisse, welche bloß aus steifem Rahmen bestehen. Und in der Literatur erfreuen wir uns bei germanistischen Meditationsübungen gar der Rahmennovelle, worin es scheinbar nur darum geht, dass niemand aus dem Rahmen fällt.

Brita Steinwendtner, Im Bernstein

h.schoenauer - 15.05.2005

Buch-Cover

"So schnell ließe sich ein Leben erzählen." (11) Tatsächlich geht es in Brita Steinwendtners Roman im Vorspann vorerst einmal ruckezucke zu.

Isa sucht wieder einmal einen Neubeginn, der Vater ist im Krieg gefallen, die Mutter stirbt, als sie vierzehn ist, nach der Hauptschule gibt es eine Schneiderlehre, dann etwas Studium, Au-pair-Mädchen in Paris und Los Angeles, mit 25 in Wien eine Stelle bei einer Tageszeitung, Heirat und Scheidung, irgendwann kehrt Isa nach Linz zurück und gründet ein eigenes Büro.

Walter Methlagl (Hrsg.), Erich Lechleitner

h.schoenauer - 05.05.2005

Buch-Cover

So ist es in der Provinz üblich. Lange nach dem Tod kriegt ein Künstler eine hinreißende Biographie, an die er selbst in den kühnsten Träumen nicht zu denken gewagt hätte.

Das örtliche Forschungszentrum bietet für die Verflossenen das Beste an Text und Bild auf, während die Zeitgenossen weiterhin zu Lebzeiten verachtet werden, damit man später umso heroischer über sie herfallen kann.

Jason Starr, Twisted City

h.schoenauer - 29.04.2005

Buch-Cover

Nach zwei, drei Leichen ist auch der härteste Typ irgendwie angeschlagen. Andererseits braucht es in der thrillernden Gegenwartsliteratur einfach diese Leichen, um ans Innere des Helden ran zu kommen.

Jason Starr erzählt von der grandiosen Stadt New York, die offensichtlich an jener dünnen Linie am aufregendsten ist, an der die Welt des Erfolges in Misserfolg übergeht. Nicht umsonst heißt der Romantitel wörtlich übersetzt ?verdrehte Stadt?.

Regina Hilber, ich spreche bilder

h.schoenauer - 20.04.2005

Buch-Cover

"Vorsicht vor dem Sinnesrausch!" (48) Die Geliebten warnen sich vor einander, aber es nützt nichts, im Gebirge setzen nicht nur die scharfen Witterungen jäh ein, auch die Gefühle kommen spitz und zart und ungebändigt.

In Regina Hilbers ?ich spreche bilder? geht es um den aufregenden Ausnahmezustand, worin die Sprache scheinbar versagt und in Bilder überquillt. Die Sätze werden zu JEPGs der Empfindung und treten als großes Ereignis auf.?

Hans J. Mayer / Adalbert Melichar, Fly Society

h.schoenauer - 20.04.2005

Buch-CoverHeutzutage wird man als Urlaubender wie ein Dinosaurier angestarrt, wenn man nicht geflogen ist, aber lange Zeit galt Fliegen wirklich als das luftige Ereignis, das nur für Prominenz und Pseudopromis gedacht war.

Ein internationaler Flughafen ist generell das Eingangsportal wichtiger Besucher eines Landes, in Österreich heißt das, dass neben Staatsmännern, auch Neujahrsdirigenten, Opernball-Ladies und gekränkte Schifahrer abgewickelt werden müssen. Der Flughafen Schwechat erzählt also wirklich staatstragende Geschichten, wenn man Österreich ernst meint.