Belletristik und Sachbücher

Michael Krüger, Einmal einfach

h.schoenauer - 29.01.2020

michael krüger, einmal einfachAls das Reisen noch nicht mit der Maus geplant werden musste, bestellte man für besonders intensive Ausfahrten das Ticket „einmal einfach“. Darin war immer eine makabre Anmerkung für den Tod versteckt, dass man vielleicht nicht mehr zurückkommen wolle.

Michael Krügers „Spätgedichte“ haben etwas von dieser Annäherung an den Tod. Die Gedichte sind ein Anschleichen an die letzten Dinge, die man sich noch einmal kurz anschaut, ehe man vielleicht gar nicht mehr zurückkehrt in die alte Welt und vielleicht hinüberwechselt in einen anderen Zustand. So entstehen letztlich „viele Fragen, die keine Antwort brauchen.“

Christoph Butterwegge, u.a. (Hg.), Auf dem Weg in eine andere Republik?

andreas.markt-huter - 27.01.2020

christoph butterwegge, republik„Als Folge der neoliberalen (Regierungs-)Politik fast aller Parteien zeigen sich gesellschaftliche Spaltungen und ein Vertrauensverlust in den demokratischen Staat.“ (S. 7)

Das Parteiensystem der Bundesrepublik Deutschland befindet sich in einer massiven Umwälzung, die als Folge der „neoliberalen (Regierungs-)Politik fast aller Parteien“ zu einem Vertrauensverlust der Gesellschaft in den demokratischen Staat geführt habe. Achtzehn Autorinnen und Autoren setzten sich in dreizehn Beiträge mit zentralen Problemen dieser Veränderung auseinander.

Ada Zapperi Zucker, Das Haus in der Widenmayerstraße

h.schoenauer - 24.01.2020

ada zapperi zucker, das hausDie Geschichte reicht jedem persönlich die Hand, dass er sich damit auseinandersetzt. Und wer sich nicht der Geschichte stellt, der wird von der Geschichte gestellt, hat dieser Tage der österreichische Nationalratspräsident philosophiert.

Ada Zapperi Zucker geht im Roman „Das Haus in der Widenmayerstraße“ der Frage nach, wie man den nächsten Generationen Geschichte erzählen kann, ohne dass sich diese aus Scham, Grauen oder Widerwillen abwenden. Denn das historische Bewusstsein eines Menschen bildet sich erst ab der Hälfte des Lebens, bis dahin erscheint den jungen Leuten alles austauschbar, beliebig oder unterhaltsam.

Barbara Aschenwald, Lichter im Berg

h.schoenauer - 22.01.2020

barbara aschenwald, lichter im bergIn der modernen Tourismusindustrie wird den Gästen eine zweifache Eroberung des Gebirges schmackhaft gemacht. Einmal sollen sie ihre Körper auf diverse Gipfel schwingen, zum anderen sollen sie nach der körperlichen Anstrengung die Sagen, Mythen und Fiktionen aus dem Gestein herausklopfen. Daher boomen Sagen-Safaris, Dorfschreibstuben und Ofengeschichten.

Barbara Aschenwald hat sich für ihre Erzählungen „Lichter im Berg“ auf den Weg nach Galtür gemacht, um den Einheimischen zuzuhören und daraus Geschichten für verweilende Gäste zu machen. Der Paznauner Ort Galtür ist für seine Lawinenkatastrophe in der jüngeren Geschichte bekannt, noch mehr aber für sein psychologisches Aufarbeitungsprogramm, bei dem man Traumatisierte unter anderem mit Geschichten zu heilen versucht.

Cyrill Stieger, Wir wissen nicht mehr, wer wir sind

h.schoenauer - 20.01.2020

cyrill stieger, wir wissen nicht mehr, wer wir sindJedes Mal, wenn die Statistiken der frisch eingebürgerten Staatsbürger ausgelegt werden, sind neben Staaten, unter denen wir uns etwas vorzustellen vermeinen, Ethnien dabei, von denen oft die Eingebürgerten selbst noch nichts gehört haben. Wenn wir nämlich ein paar Generationen zurückblicken, so wissen wir oft alle nicht mehr, wer wir sind.

Cyrill Stiegler stellt unter diesen makaberen Seufzer des Unwissens seine ausführlichen Reisen und Interviews quer durch Mittel- und Osteuropa. In manchen Landstrichen wird er fündig und stößt auf Reste von Völkern, die nur mehr in alten Namensgebungen rekonstruierbar sind.

Christian Somnitz, Materialien & Kopiervorlagen zur Klassenlektüre. Mark Twain

andreas.markt-huter - 17.01.2020

christian somnitz_materialien mark twain„Das Begleitmaterial greift verschiedene inhaltliche, sprachliche, historische und gesellschaftlich-ethische Aspekte des Romans auf. […] Jeder Abschnitt beginnt mit einem Lehrerteil, in dem sich Hinweise zu den Kopiervorlagen, sowie zusätzliche Vorschläge für Gesprächs- oder Schreibanlässe befinden.“ (S. 4)

Arbeitsmaterialien für Klassenlektüren bieten eine interessante Möglichkeit, Hintergrundwissen zum Buch zu vermitteln und den Inhalt spielerisch zu vertiefen und in Form von Arbeitsaufträgen zu verarbeiten.

Christian Steinbacher, Gräser im Wind

h.schoenauer - 15.01.2020

christian steinbacher, gräser im windDas Trivialste und Geilste, das man sich in der Literatur vorstellen kann, ist Gras. Nicht nur, der biblische Vers, „alles Fleisch wird Gras“, weist auf die Besonderheit von Gras hin, auch der Top-Roman des Nobelpreisträgers Claude Simon heißt schlicht „Das Gras“.

Christian Steinbacher nimmt das Gras zum Ausgangspunkt für seine poetische Abhandlung, die bei ihm Abgleich heißt. Als Vorspann ist dem Gräser-Werk eine zweifache Übersetzung einer Szene aus Simons Gras vorangestellt. Selbst der Laie erkennt, dass Gras bei jedem Anblättern anders wird. Im Roman dient das Gras einerseits als Stoff für ineinander Verwachsenes und als Unterlage für Seitensprünge, die manche Helden mitten im Absatz durchführen.

Sophie Reyer, Schildkrötentage

h.schoenauer - 13.01.2020

sophie reyer, schildkrötentageDie elementarsten Veränderungen geschehen über Nacht: Du schaust beim Zähneputzen in den Spiegel und siehst, dass du ein anderer Mensch geworden bist.

In Sophie Reyers Roman „Schildkrötentage“ ist es eine unheimliche Falte um die Mundwinkel, die der Heldin Flora das Gesicht einfrieren lässt. Das Gesicht ähnelt einer Schildkröte. Und gleichzeitig merkt die Ich-Erzählerin, dass sich auch der Rücken verspannt, die Gliedmaßen steif werden und die Haut sich zum Panzer entwickelt. Alles deutet auf das Gregor-Samsa-Syndrom hin, mit dem der Held in einer Kafka-Erzählung als Käfer erwacht.

Friedrich Orter, Der Vogelhändler von Kabul

h.schoenauer - 10.01.2020

friedrich orter, der vogelhändler von kabulAfghanistan taucht im höllischen Alphabet an vorderster Stelle auf. Der Westen bezieht aus diesem Land Drogen, Flüchtlinge und schlechte Nachrichten. Dafür liefert er Bombardements, Unverständnis und Abscheu.

Friedrich Orter war jahrelang Korrespondent in Kabul und zumindest hintennach bei jedem Attentat dabei. Eine Chronik der jüngeren Geschichte Afghanistans besteht aus einer unendlich langen Attentatsliste mit entsprechenden Toten und mehr oder weniger symbolträchtigen Schauplätzen. Der Autor dreht dabei die Chronologie um, das heißt er rechnet von Trump im August 2017 zurück ins sechzehnte Jahrhundert und kommt immer auf diverse Großmächte, die das Land vereinnahmt haben, um wie Babur 1505 darin die Mogul-Dynastie zu installieren oder einfach Stellvertreterkriege darin abzuwickeln.

Thomas Northoff, Krank

h.schoenauer - 08.01.2020

thomas northoff, krankMarkante Lyrik punktet oft durch einen eleganten Duktus, mit dem die poetischen Schleifen durch das Gelände aus Visionen, Befindlichkeiten oder Naturresten gelegt ist.

Bei Thomas Northoffs Lyrikband „Krank“ könnte man vielleicht von einem markanten Interruptus sprechen, mit dem die Wörter wie Sargnägel über das Leben gehustet werden. Die einzelnen Zeilen sind spitze Fügungen und Flashes, die von einem lyrischen Individuum ausgestoßen werden, gleichzeitig aber auf diese geduckte Seele eindreschen.