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anna pixner pertoll, merans grüner SalonDas ideale Buch über einen Grünen Salon ist groß wie ein Indoor-Saloon. Für das repräsentative Meran-Buch braucht es vor allem eine große Tischfläche, um das Buch auszulegen. Das Buch ist so weitläufig, dass man beim Durchstreunen angenehm erschöpft wird wie nach einem gelungenen Kur-Rundgang.

Anna Pixner Pertoll packt als Kunsthistorikerin alles aus den Depots und legt es in der Freiluft eines Bildbandes aus, dabei kommen historische Baupläne genauso zum Vorschein wie überdimensionierte Details etwa einer Fassadenknospe weit droben im Dach-Geäst einer Villa.

ernest van der kwast, die eismacherAuf eine unsichtbar lustvolle Art ist jeden Sommer Europa mit einer fruchtigen Eisschicht überzogen. Wie selbstverständlich wird überall Eis ausgerufen und erotisch verschleckt, dabei kommt das Spitzeneis aus einer Spezialisten-Familie, die vom Cadore aus den Dolomiten heraus die Welt erobert hat.

Ernest van der Kwast lässt über mehrere Generationen hinweg eine Eismacher Familie auftreten, er veredelt ihr Tun aber, indem die Geschichte von einem Eis-Aussteiger erzählt wird. Guiseppe soll wie alle anderen der Sippschaft in die Eismacherei einsteigen, aber er wird Verleger und kreiert Lyrik wie eine Eisspezialität.

georg schmidt, die reiter der apokalypse„Wer vergangenes Geschehen rekonstruiert, darf die Möglichkeiten der Handelnden nicht überschätzen. Sie waren geprägt vom Zeitgeist ihrer Milieus, von der Bibel und den Vorgaben der Geschichte. Eine Erzählung des Dreißigjährigen Krieges kann sich deswegen nicht auf die Jahre zwischen 1618 und 1648 beschränken. Jeder historische Anfang besitzt Ursachen und jedes Ende Folgen.“ (23)

Mit dem berühmten Prager Fenstersturz im Frühjahr 1618 nimmt ein Krieg seinen Anfang, der dreißig Jahre andauern und die Bevölkerung des Heiligen Römischen Reiches um die Hälfte dezimieren sollte. Georg Schmidt erzählt die Geschichte dieser großen Katastrophe in der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts neu und verknüpft dabei geschickt historische Deutung und zeitgenössische Urteile aus Tagebuchaufzeichnungen, Quellen und Predigten.

ron kolm the unbearablesWie bei einer Band tritt das künstlerische Individuum zurück und verneigt sich vor dem Band-Namen: The Unbearables.

Die Unausstehlichen sind ein loser Zusammenschluss von New Yorker Avantgardekünstlern, die den Blick weit vorausgerichtet, das Auge tief eingedrückt und das Gehör in den Boden versenkt haben. So erinnern die Unbearables an verschiedene urbanisierte Tierarten, die den Lebenskampf zelebrieren und zu erstaunlicher Höhe emporschrauben.

Franz schuh, fortunaOft hilft ein Piktogramm, damit man sich etwas Abstraktes vorstellen kann. Im Falle der Fortuna steht eine Frau mit dem Rücken zum Zuschauer an einer laternenpfahlähnlichen blauen Säule und ist mit dem rechten Träger des Badeanzugs an einen Strich aus Sommer angekettet.

Franz Schuh erzählt ähnlich wie das Cover auf seinem „Magazin des Glücks“, überschaubar, reduziert, weiträumig und logisch. Man liest die längste Zeit und merkt gar nicht, dass man schweres philosophisches Gelände bewältigt hat. Seine Gedankengänge führt er oft als Unterflurtrasse durch seine eigene Textlandschaft, die beschwingt wie ein Erlebnisroman über den Fährnissen des Erzählers angelegt sind.

johannes richard, die sortierte gesellschaft„Gerade innerhalb der Linken betrachten viele Identitätspolitik als ein Mittel, um Minderheiten zu schützen. Sie wird als Quelle des Selbstbewusstseins und als Ausgangspunkt von Politisierung und Selbstorganisation für ausgegrenzte Minderheiten dargestellt. Die in »Die sortierte Gesellschaft« versammelten Autoren sind skeptisch gegenüber dieser Auffassung.“ (S. 6)

Die Idee, für marginalisierte Gruppen Anerkennung und Respekt für ihr spezifisches Anderssein zu fordern, scheint auf den ersten Blick positiv und sympathisch zu sein, führt aber rasch zu einer Fragmentierung der Gesellschaft, in der sich lauter unterschiedliche „Identitäten“ gegenüberstehen, die eine Sonderbehandlung verlangen. Demgegenüber stellen die Autoren des Buches den Universalismus der Aufklärung mit Werten wie Vernunft, Freiheit und Demokratie gegenüber.

gerald pusch, schwarzer schneeWegen der schwarzen Milch des Paul Celan durfte das Wort „schwarz“ in der Literatur eine Zeitlang nur im Zusammenhang mit dem Holocaust verwendet werden. Ein paar Generationen später darf man jetzt wieder schwarzer Schnee sagen, wenn der Schnee schwarz ist.

Gerald Pusch erzählt von einem Mathematikstudenten in Linz, der während des Wintersemesters in ein schwarzes Loch fällt und nicht mehr herauskommt. Dabei beginnt der Roman wie eine österreichische Idylle, der Ich-Erzähler kommt nach ein paar Schaltvorgängen im Hirn aus dem nächtlichen Traummodus heraus und begibt sich zur Couch, wo sich eine nette Sitzmulde gebildet hat. Heute ist ein guter Tag, denn der Lieblingssender wird bis zu zwölf Stunden am Stück Schirennen übertragen.

jens-uwe krause, spätantike„Lange Zeit ist in der althistorischen Forschung die Auffassung vertreten worden, das Römische Reich sei im 3. Jh. stark geschwächt worden. Die archäologischen Forschungen, die sich in den letzten Jahrzehnten verstärkt der Spätantike zugewandt haben, haben dazu geführt, diese Vorstellung zu korrigieren.“ (S. 31)

Jens-Uwe Krauses „Geschichte der Spätantike“ bietet einen kompakten historischen Abriss der politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und religiösen Geschichte des ausgehenden Römischen Reichs von der 1. Hälfte des 3. Jahrhunderts bis zum Ende des 6. Jahrhunderts n. Chr.

wolfgang pollanz, hasta la vista, babyEs gibt so messerscharfe Jahre, die eine Biographie in vorher und nachher trennen. Für die Jahrgänge der 1950er Jahre gibt es um 1970 herum diesen Einschnitt, wo der Hippie-Boom vorbei und der Kampf gegen den Vietnamkrieg aufgenommen ist. Als markanter Roman über diese Zeit gilt Peter Handkes „Der kurze Brief zum langen Abschied“. Darin fährt der Held einsam und abseits aller Weltgeschehnisse durch Amerika, um am Schluss seinem Bruder beim Holzfällen zuzuschauen.

Wolfgang Pollanz, Jahrgang 1954, schickt seinen Helden Arno Weissenegger in ähnlicher Mission durch Kalifornien. Dieser ist Bodybuilder und Steirer und versucht eine Weltkarriere, für die durchaus Schwarzenegger Vorbild ist, obwohl im Vorspann ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass es mit niemandem eine Ähnlichkeit gibt, höchstens in einem Paralleluniversum.

gegen den ballEin guter Roman ist wie ein Fußballspiel, Figuren rennen mehr oder weniger koordiniert einem Thema nach, Gedankengänge werden abgeblockt, plötzlich tun sich Alternativen auf, und zwischendurch gibt es starke Emotionen, wenn sich jemand verletzt hat oder gar sein Ziel erreicht, indem er das berühmte Goal macht.

Längst gilt Fußball als Kultureinrichtung wie die Oper oder das Literaturhaus, auf die Spitze getrieben wird dieser Respekt vor dem Fußball, wenn sogenannte Nationalmannschaften aus Dichtern im Rahmen eines Kulturfußballfestes gegen einander antreten mit der Absicht, niemanden außer den Ball zu treffen.