Österreichisches Deutsch als Unterrichts- und Bildungssprache

„Die Publikation richtet sich an Deutschlehrende aller Schularten in Österreich, die in ihrem Unterricht die Vielfalt des deutschsprachigen Raums und die Besonderheiten der deutschen Sprache in Österreich vertiefend thematisieren möchten.“ (3)

Die „Arbeitsgruppe Österreichisches Deutsch“ hat im Auftrag des BMBF ihren Bericht „(Österreichisches) Deutsch als Unterrichts- und Bildungssprache“ veröffentlicht, um die Eigenheiten des „österreichischen Deutsch“ vorzustellen, die durch die scheinbar übermächtige Konkurrenz der zahlreichen Film- und Fernsehprodukte aus Deutschland als Teil der Alltagssprache gerade bei Kindern und Jugendlichen zunehmend verloren gehen.

Die Lehr- und Lernmaterialien zum österreichischen Deutsch bieten in einem ersten Teil Grundinformationen zum aktuellen Stand der Diskussion über Österreichisches Deutsch. In ihrem Aufsatz „Österreichisches Deutsch aus der Sicht von Kultur und Sprache“ setzt sich Gerti Zhao-Heissenberger, Leiterin des Referats „Kultur und Sprache“ im BMBF mit der Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung des österreichischen Deutsch im In- und Ausland auseinander. Im Ausland abgehaltene Deutschkurse bewerteten Austriazismen als Dialektform, die in Prüfungen als Fehler gewertet werden, obwohl Österreichisches Deutsch, neben deutschem Deutsch und schweizerischem Deutsch als eine der drei nationalen Varietäten des Deutschen ein Begriff ist.

Aber auch in anderen Bereiche wie z.B. Sprachkursen im Ausland wird dem österreichischen Deutsch im Gegensatz zum sogenannten „Hochdeutsch“ eine im besten Fall untergeordnete Stellung zugewiesen. Dabei hat gerade das Österreichische Sprachdiplom Deutsch bereits im Jahr 1994 eine Vorreiterrolle für die Anerkennung der Vielfalt der deutschen Sprache eingeleitet. Für die Bewertung von Sprachkenntnissen wurden hier erstmals Österreichisches Deutsch und schweizerisches Deutsch dem in Deutschland geltenden Standard gleichgesetzt. Damit wurden zahlreiche Anpassungen im gesamten deutschsprachigen Raum eingeleitet, die österreichische Eigenheiten berücksichtigen.

Im Gegensatz zu dieser Entwicklung zeigt der Sprachwandel in Österreich selbst, dass sich das Bewusstsein für Österreichisches Deutsch eine zunehmende Verunsicherung feststellen lässt.

In Jakob Ebners Beitrag „Österreichisches Deusch – Ein Erklärungsversuch“ geht es vor allem darum mit einem Blick auf die österreichische Geschichte zu erklären, was Österreichisches Deutsch eigentlich ist, wie es sich definieren lässt.

Man kann die Bezeichnung österreichisches deutsch offen und ideologiefrei als das Standarddeutsch, das in Österreich verwendet wird, bezeichnen. (9)

Die größte Bedrohung für das österreichische Deutsch kommt nach Meinung Ebners aus Österreich selbst, wenn Österreichisches Deutsch als Dialekt verstanden und vermittelt wird.

Glauben Sie, dass es ein österreichisches Standarddeutsch (Hochdeutsch) gibt?

Ein Großteil der österreichischen Lehrer hält das österreichische Standarddeutsch genauso korrekt wie das deutsche. Diagramm aus: (Österreichisches) Deutsch


Im Beitrag „Forschungprojekt: Österreichisches Deutsch als Unterrichts- und Bildungssprache wurden die Lehrpläne für das Unterrichtsfach Deutsch in Grundstufe, Sekundarstufe I und II sowie die Studienpläne für das Lehramtsstudium Deutsch an den Pädagogischen Hochschulen und Universitäten analysiert. Desweiteren wurden 160 DeutschlehrerInnen aller Schultypen und 1.300 Schüler der AHS-Oberstufe zur Rolle über ihr Verhältnis zur Sprache und zur Rollen von österreichischem Deutsch im Unterricht befragt. Zusätzlich wurden die am häufigsten verwendeten Deutschlehrbücher auf ihren Umgang mit österreichischem Deutsch untersucht. Ein Großteil der Lehrer sieht Unterschiede in den Standardsprachen zwischen Österreich und Deutschland und hält das österreichische Standarddeutsch genauso korrekt wie das deutsche.

Alexander Burka unterscheidet in seinem Beitrag „Österreichisches Deutsch und Plurizentrik“ den Blick auf die verschiedenen Sprachzentren: wird die deutsche Sprache von innerhalb oder außerhalb des deutschsprachigen Raumes betrachtet, also mit Blickrichtung „Deutsch als Fremdsprache“ oder der „Auslandsgermanistik“. Dabei werden die Trennlinien zwischen Dialekt, Umgangssprache und Standardsprache häufig unscharf gezogen. Vor allem aber wirkt sich die Dominanz der Deutschsprechenden in Deutschland problematisch auf die Einschätzung aus. Als Kernaussage der Plurizentrik lässt sich Sara Hägis Aussage festhalten:

Die deutsche Sprache ist in mehreren Ländern zuhause und dadurch ausgesprochen variantenreich. (14)

Dieses Wissen sollte, so Burka dabei helfen, den Stellenwert der österreichischen Varietät der deutschen Sprache zu stärken.

Neben den informativen Hintergrundinformationen zum österreichischen Deutsch, bietet die Broschüre in ihrem zweiten Teil eine Fülle an Lehr- und Lernmitteln, mit denen verschiedene Bereiche des österreichischen Deutschs vermittelt werden sollen wie z.B. ein Blick auf die Sprachen in und rund um Österreich, auf die eigenen Sprachen. Aber auch Übungen mit denen die Unterschiede zwischen Österreichischem, Schweizer und Deutschem Deutsch aufgezeigt werden, aber auch wie viele Wörter gemischt verwendet werden.

In Wörterbüchern findet die Variante des Österreichischen Deutschs oft in unterschiedlichem Ausmaß Berücksichtigung. Screenshot: (Österreichisches) Deutsch

 

„Wissenswertes über Sprachen“ beinhaltet Fragen über Sprachen in Europa, über Österreichisches Deutsch und die Auseinandersetzung mit Österreichischem Deutsch in verschiedenen Wörterbüchern. Daneben wird Österreichisches Deutsch in der Literatur und in der „Standardisierten Reife- und Diplomprüfung Deutsch (mündlich)“ betrachtet. Am Schluss finden sich sowohl die Kommentare und Lösungen als auch die Quellenangaben sowie Text- und Bildnachweise zu den jeweiligen Beiträgen.

Leo Heinz Kretzenbacher, Germanist an der School of Languages der University of Melbourne und Rudolf Muhr, Sprachwissenschaftler und Leiter der Forschungsstelle Österreichisches Deutsch an der Uni Graz üben in einem Beitrag der Tagezeitung „Der Standard“ einen eher kritischen Blick auf die Broschüre „(Österreichisches) Deutsch als Unterrichts- und Bildungssprache“, die sie als zu halbherzig und in ihrem Übungsteil mitunter fehlerhaft bemängeln.

Fazit: Eine große Chance wurde mit dieser Broschüre leichtfertig vertan, weil sie der Förderung des ÖD [Österreichisches Deutsch, Anm. A.M.-H.] nicht dient, sondern eher schadet.

Der Standard: Leo Heinz Kretzenbacher und Rudolf Muhr, Deutsch für Inländer (1.Juli 2014)

 

Interessant ist auch Heinz-Dieter Pohls Beitrag über österreichisches Deutsch in der Zeitschrift „Tribüne“, in der er nach seinen Vorbemerkungen über Varietäten in verschiedenen anderen Sprachen sich mit den Besonderheiten des österreichischen Deutsch auseinandersetzt und neben Sprachbeispielen und einen historische Rückblick das „Österreichische Deutsch als Nationale Varietät“ auch aus sprachwissenschaftlicher Sicht näher beleuchtet. Über das Verhältnis des Österreichers zu seiner eigenen Sprache meint er:

Die Einstellung des Österreichers zu seiner Sprache ist eine sehr ambivalente. Einerseits reagiert man vielleicht empfindlich auf „unösterreichische“ Ausdrücke, ahmt sie aber dennoch unverdrossen nach, z.B. lecker, tschüs(s), Schnäppchen, Sahne, Junge, die Akte usw.

Heinz-Dieter Pohl, Zur Diskussion um das österreichische Deutsch. Einige Bemerkungen aus Sich der allgemeinen Sprachwissenschaft. In: Tribüne, Zeitschrift für Sprache und Schreibung, 4/2013, S. 18

 

Alles in allem bietet die Broschüre „(Österreichisches) Deutsch als Unterrichts- und Bildungssprache“ gerade im schulischen Bereich einen wichtigen Anstoß um die interessante Diskussion über die eigene Sprache und einen bewussteren Blick darauf anzuregen und dafür die nötigen Impulse und Hintergrundinformationen zu liefern.

 

Weiterführende Links:
Broschüre: „(Österreichisches) Deutsch als Unterrichts- und Bildungssprache“
Kultur und Sprache
Der Standard: Deutsch für Inländer
Tribüne, Zeitschrift für Sprache und Schreibung

 

Andreas Markt-Huter, 02-07-2014
aktualisiert: 27.11.2015

 

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