Andreas Hapkemeyer, Hans Glauber. Bilder aus der mechanischen Stadt

Manche Künste, die wir heutzutage wie selbstverständlich begreifen und auslesen, haben sich ihren Status als Kunst erst erkämpfen müssen. So gilt die serielle Fotokunst als sehr junges Forum, worin Theorien, Reflexe und Abzüge diskutiert werden.

Ein Pionier der Fotographie einer „mechanisierten Welt“ ist Hans Glauber, in Innichen geboren, in Como groß geworden und in Frankfurt zur Entfaltung gekommen. Eigentlich als Soziologe bei Olivetti angestellt, entwickelt er einen „Grafismus“, der sogar Umberto Eco und Theodor W. Adorno begeistert. Ala Alterswerk organisiert er von 1985 bis zu seinem Tod 2006 die Toblacher Gespräche, die unter dem bemerkenswerten Programm stehen: „Langsamer, weniger, besser schöner.“

Das Album mit den Abbildungen der wichtigsten Werke widmet sich unter anderem ausführlich der Olivetti-Philosophie um die 1960er Jahre, als der Konzern tatsächlich eine weltweite Philosophie der Forschung und Programmierung erarbeitete, worin der Mensch als Individuum noch etwas zu sagen hatte.

Wie bedroht diese Individualität ist, zeigen vielleicht die Bilder Hans Glaubers. Da gibt es wunderbare Maschinen-Fotos, serielle Kaputtmacher und Abzüge von überbordenden Massen-Partikel. Eine Serie nennt sich Kafka und visualisiert vielleicht etwas, was Franz Kafka als Verbesserer des Arbeiterschutzes im Versicherungswesen im Kopf hat. Und wenn man diese Serie so halbwegs verstanden hat, kommt in gleicher Aufmachung das hektische Bild „Beim Pudern“, worin das Mechanische der Sexualität zum Ausdruck gebracht wird.

Dass der Künstler Glauber zwischendurch auch Soziologe ist, zeigt sich während der Frankfurter Unruhen 1968. Der Künstler verfasst eine Anzeige, wonach die Polizei brutal gegen Demonstranten vorgeht und alles zusammenschlägt, was ihr unter den Knüppel kommt. Um seine Objektivität und hellhörige Schlitzohrigkeit zu manifestieren unterzeichnet er mit „Dr. Hans Glauber – Soziologe/Österreicher“. (39)

Die Aufsätze rund um das Werk sind unter anderem überschrieben mit Studium und Beginn bei Olivetti, Frankfurt und Adorno, Aus der mechanischen Stadt, Fotographie als Gesellschaftskritik, Der erweiterte Kunstbegriff. Ein Werk- und ein Ausstellungsverzeichnis runden die Darstellung ab.

Für Leser, die nicht ausgesprochene Glauber-Kenner sind, besticht vor allem das soziologische Programm, das die Matrix für das künstlerische Schaffen ist. Gerade weil Glauser nicht im Hauptstrom der Frankfurter Schule zu liegen gekommen ist, konnte er sich offensichtlich als Individuum entwickeln hin zu einer Philosophie, die geradezu sensationell aktuell ist. „Langsamer, weniger, besser schöner.“

Andreas Hapkemeyer, Hans Glauber. Bilder aus der mechanischen Stadt. Unter Mitarbeit von Else Prünster. Abbildungen.
Bozen, Wien: folio 2013. 126 Seiten. EUR 19,90. ISBN 978-3-85256-624-5.

 

Weiterführende Links:
Folio-Verlag: Andreas Hapkemeyer, Hans Glauber. Bilder aus der mechanischen Stadt
Wikipedia: Andreas Hapkemeyer
Wikipedia: Hans Glauber

 

Helmuth Schönauer, 10-04-2013


Bibliographie

AutorIn

Andreas Hapkemeyer

Buchtitel

Hans Glauber. Bilder aus der mechanischen Stadt

Erscheinungsort

Boezen

Erscheinungsjahr

2013

Verlag

Folio-Verlag

Seitenzahl

126

Preis in EUR

19,90

ISBN

978-3-85256-624-5

Kurzbiographie AutorIn

Andreas Hapkemeyer, geb. 1965 in Osnabrück, ist Germanist und Kunsthistoriker.<br />Hans Glauber, geb. 1933 in Innichen, gest. 2008 in Bozen.