Armin Baumgartner, Almabtreibung

Idyllen schreien letztlich danach, dass sie aufgerissen oder zum Platzen gebracht werden. Ein Held tut sich eine Idylle nur an, weil er sich von ihr richtig demütigen lassen kann.

Schon allein der Titel verheißt in Armin Baumgartners Roman nichts Glattes. Was man im ersten Hinschauen noch für einen gelungenen Viehabtrieb nach einer satten Saison deuten kann, entwickelt sich tatsächlich zu einer Perversion.

Der Dutzendtyp Schubert schneidet sich in der Früh beim Rasieren und ist froh, dass ihm wenigstens eine Andeutung von Schicksal widerfährt. Sein Onkel ist gestorben, aber der Held wird das Begräbnis auslassen, weil er schon länger eine lose Fahrt in die Berge geplant hat. Zudem hält er bereits das nachgelassene Manuskript des Onkels in Händen, denn kauzige Menschen hinterlassen meist ein rätselhaftes Vermächtnis.

Schubert fährt mit seinem Oldtimer Richtung „Tal am Fuße des Irgendwas“ (27). Leser und Held erwarten nun inständig, dass die General-Harmonie einen Sprung bekommen möge, da gibt der Mercedes Baujahr 1968 endlich den Geist auf und der Abschleppdienst fährt das heroische Paket in ein entlegenes Dorf. In der toten Saison erweckt Schubert durchaus Aufmerksamkeit bei den Einheimischen, nach dem Grund seines Aufenthalts gefragt antwortet er mit „Kupplung!“.

In dieser entrückten Zone ist alles so, wie man sich als Städter das verlogen verlorene Land vorstellt. In der Gegend gibt es eine umtriebige Stickerei, die sinnlos Sprüche an die Wände postet, unter anderem den Klassiker: „Auf der Alm, da ist gut lieben, denn im Herbst wird abgetrieben.“ (65) Die Inhaberin des Hotels versorgt alle mit verbalen Snacks und Getränken, die Einheimischen sind ohne Plan im Alltag unterwegs oder halten sich wie der Dorfschmied an höhere Einsichten und Alkohol.

Bald ist Schubert im grotesken Ambiente verloren, er findet plötzlich die Werkstatt nicht mehr und leert auf der Suche nach seinem Oldtimer eine Flasche Schnaps. Zum Drüberstreuen bringt er eine übergewichtige Witwe um, weil sie statt Auskunft zu geben mit dem Schreien nicht aufhört.

Die Polizei versucht rund um die Tote herum die Spuren zu sichern, der Held ist offenbar nicht ansprechbar, aber das Manuskript des Onkels wird für ein Geständnis gehalten, zumal nur Unsinn und Floskeln aus dem österreichischen Ständestaat drinstehen. In einem Epilog macht die Natur unbeirrt weiter und gibt der Germanistik noch einen guten Rat mit auf den Weg: „Textur ist die leise Sprache der Natur.“

Die Almabtreibung ist ein famoses Rustikal, voller Grobheit und Schlichtheit, fein austariert mit sinnlosen Glücksempfindungen. Der Roman erweist sich letztlich als ein glühendes Hufeisen, das dem nächstbesten Helden in die Lende gebrannt wird als vermeintlicher Glücksbringer. Sattes Alm-Grinsen ist angesagt.

Armin Baumgartner, Almabtreibung. Roman.
Klagenfurt: Kitab 2014. 144 Seiten. EUR 16,-. ISBN 978-3-902878-32-8.

 

Weiterführende Links:
Kitab Verlag
Wikipedia: Armin Baumgartner

 

Helmuth Schönauer, 27-02-2015

Bibliographie

AutorIn

Armin Baumgartner

Buchtitel

Almabtreibung

Erscheinungsort

Klagenfurt

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Kitab Verlag

Seitenzahl

144

Preis in EUR

16,00

ISBN

978-3-902878-32-8

Kurzbiographie AutorIn

Armin Baumgartner, geb. 1968 in Neunkirchen, lebt in Wien.