Oswald Egger, Gnomen & Amben

Wenn die richtigen Typen zusammenkommen, entsteht durchaus freche Lyrik. Wenn zwergenhafte Schatzhüter (Gnomen) und Doppeltreffer im Lotto (Amben) aufeinandertreffen, kann eigentlich nur die Lyrik des Oswald Egger daraus entstehen.

Tatsächlich braucht das Lyrikwerk „Amben & Gnome“ von Oswald Egger einen beruhigenden Vorspann, ehe sich das Auge dann teilen muss, weil auf den Seiten oben immer etwas anderes gespielt wird als im Fließtext unten.

Im Vorspann ist ein Ausschnitt eines Kombinationsspiels gezeichnet, worin poetische Schlieren einer Doppelhelix in verrückten Auswuchtungen abgelegt sind. Glühfäden von jäh geschmolzenen Leuchtkörpern könnten am ehesten die Graphik deuten, worin vielleicht als Vorspiel Gnomen und Amben aufeinander treffen. In einer Art Regieanweisung wird noch erklärt, dass die beiden Typen in einem Wettlauf stehen, und dann geht’s los.

Im oberen Zweidrittel laufen nummerierte Sätze über die Sehfläche, die einerseits das Wesen der Protagonisten beschreiben, andererseits dramatische Wendepunkte, wo poetische Verquirlungen die Konsistenz wechseln.

„Ich bin unrund und klein und voller Ecken und Knoten“,
„Das Messer ist an der Lehmbank gewetzt und schneidet immer besser“.

Ein ziemlich durchgeknallter Ich-Erzähler gibt jeweils wie in einer Kapitelüberschrift des Barocks die gegenwärtige Lage zum Besten, etwa dass er eine Kuh überholt hat oder zwölf Ferkel ohne Fell in einem Fangloch akustisch zur Welt gekommen sind.

Im unteren Drittel laufen derweil durchnummerierte Sätze wie eine wild gewordene Chronik auf die Sequenz 1117 zu, die aus der Fügung „und zwar“ besteht. Dazwischen gibt es schöne Selbsterkenntnisse und Sprüche.

„585 Ich bin weder balg, noch schön, noch Mensch.“
„596 Im Trab ritt ich den Hügel hinab und bückte mich bei jedem Schritt.“

Aus diesem Abenteuer-Material, das aus einer archaischen Natur stammt, die mit allerhand Tricks umgangen oder niedergerungen werden muss, entwickelt sich eine Geschichte, die manchmal einem Schöpfungsbericht nahe kommt und dann wieder an Karl Mays Zobeljäger und Kosak erinnert.

Das Aufspalten der Erzählung in Späne, Floskeln und Zellen ermöglicht im gleichen Atemzug, indem etwas zerlegt worden ist, das Zusammenfügen in ein neues Gebilde. So entstehen aus einem Satz Fabelwesen und Algorithmen zufällig logisch zugleich.

Und manche Sätze gehen einem Stundenlang nicht mehr aus dem Sinn, das muss doch eine Bedeutung haben, das kann doch nicht einfach aus einer poetischen Laune heraus so hingeschrieben sein?

„Der Berg peinigt meine Beine immer beide.“ (13)

Hinter solchen Sätzen könnte ein Guru stehen, ein sprachlicher Orthopäde oder ein Stück Urgestein.

Oswald Egger ist vielleicht alles davon, wenn er seine unverwechselbar skurrilen Sätze los lässt, ein Guru, der den letzten Teil seiner Botschaften gerne zurückhält, ein Orthopäde, der dem sprachlichen Skelett zu einem neuen Bewegungsspielraum verhilft, ein Urgestein, aus dem auf jeder Seite König Laurin herausspringen kann. - Wunderbar gnomisch und ambisch eben!

Oswald Egger, Gnomen & Amben.
Berlin: Brueterich Press 2015, 83 Seiten, 20,00 €, ISBN 978-3-945229-05-7

 

Weiterführende Links
Brueterich Press: Oswald Egger, Gnomen & Amben
Wikipedia: Oswald Egger

 

Helmuth Schönauer, 02-09-2015

Bibliographie

AutorIn

Oswald Egger

Buchtitel

Gnomen & Amben

Erscheinungsort

Berlin

Erscheinungsjahr

2015

Verlag

Brueterich Press

Seitenzahl

83

Preis in EUR

20,00

ISBN

978-3-945229-05-7

Kurzbiographie AutorIn

Oswald Egger, geb. 1963 in Tscherms, lebt in Hombroich / Neuss.