Tilman Spreckelsen, Kalevala

„Wo bist du gewesen? Im Norden, sagte Väinämoinen, in Pohjolo, wo die Hexe Louhi herrscht. Aber wusstest du, dass sie eine wunderschöne Tochter hat, so reizend wie ihre Mutter hässlich ist? Das Mädchen soll denjenigen heiraten, der für Louhi das Sampo schmiedet.“ (46)

Tilman Spreckelsen begibt  sich auf die Spurensuche nach Elias Lönnrot, dem Verfasser des finnischen Nationalepos Kalevala und erzählt dabei, die Kalevala, eine Sage aus dem Norden nach. Dieses aus zahlreichen Überlieferungen der finnischen Mythologie zusammengestellte und 1835 veröffentlichte Epos, erzählt von den Abenteuern und Taten der großen finnischen Helden Väinämöinen, Lemminkäinen, Kullervo, Illmarinen und Marjatta.

Die Leserinnen und Leser begleiten abwechselnd den Autor bei seiner Reise auf den Spuren des Dichters Elias Lönnrot durch Finnland sowie die Helden der Kalevala bei ihren großen Abenteuern. Dabei entsteht im Laufe des Buches eine umfassende Biographie des großen finnischen Nationaldichters, die das Leben das Leben und Wirken des bescheidenen und zurückgezogenen Mannes auf eine sehr persönliche Weise nahezubringen vermag.

Zwischen dem „biographischen“ Reisebericht werden die einzelnen Zyklen der Kalevala in poetischer aber dennoch leicht verständlicher Sprache nacherzählt. Die einzelnen Helden verfügen über große Stärke, magisches Wissen, Geheimzauber und mächtige Gesänge, die sie gezielt einzusetzen verstehen.

Der 1. Teil „Väinämöinens Geburt“ erzählt von der Erschaffung von Himmel, Erde, Sonne, Mond, Wolken und Sternen aus dem Ei einer Ente, von der Schwangerschaft Ilmatars, der Geburt ihres Sohnes und wie dieser mit Hilfe des winzigen Sampsa Pellervoinen die Pflanzen und Bäume wachsen ließ. Väinämöinen wird nach einer Auseinandersetzung mit Joukahainen aus Lappland seine schöne Schwester Aino als Frau versprochen. Diese weigert sich und setzt ihrem Leben im Wasser ein Ende. Joukahainen versucht sich an Väinämöinen zu rächen, der aber von einem Adler gerettet wird.

Im 2. Teil „Das Mädchen von Phjola“ wirbt Väinämöinen um die Hand der Tochter der Hexe Louhi, die von ihm den Bau eines Sampos fordert, ein magisches Gerätes, das seinem Besitzer Reichtum verschafft.

Teil 3 „Brautwerbung und Hochzeit“ stellt den Helden Lemminkäinen in den Mittelpunkt. Auch wenn er aus armen Verhältnissen stammt, liegen ihm die Mädchen zu Füßen. Nachdem er Kyllikki, eine Tochter aus reichem Haus, geraubt hat, macht er sich noch auf den Weg nach Norden, um ebenfalls um die Hand von Louhis Tochter zu werben. Aber erst der Schmied Ilmarinen, Väinämöinens Freund, erhält Louhis Tochter zur Frau, nachdem er u.a. den geforderten Sampo geschmiedet hat. Nachdem Lemminkäinen nicht zur Hochzeit eingeladen wurde, kommt es mit Louhi zu einer Auseinandersetzung.

Der 4. Teil erzählt die Geschichte des jungen Kullervos, der von seinem Onkel seiner Familie beraubt wird. Nachdem sein Onkel ihn nicht töten kann, verkauft er ihn als Sklaven an Ilmarinen. Als ihn Ilmarinens Frau schlecht behandelt und beleidigt, lässt Kullervo sie von den wilden Tieren des Waldes töten. Als er unwissentlich seine verloren geglaubte Schwester verführt, nimmt er sich das Leben.

Im 5. Teil machen sich Väinämöinen, Ilmarinen und Lemminkäinen auf den Weg zu Louhi, um sich das Reichtum versprechende Sampo auszuleihen, um den Reichtum auch in ihre Länder zu bringen. Als diese sich weigert, das Sampo zu verleihen, beschließen die Helden das Sampo zu stehlen.

Im letzten Teil „Marjattas Kind“, einer Abwandlung auf christliche Ideen, wird Marjatta ohne Mann von einer Preiselbeere schwanger. Väinämöinen will das Kind im Sumpf töten lassen. Die Menschen weigern sich und beschließen das Kind zu ihrem König zu machen. Mit den Worten „Wisst ihr, was ihr da tut?“, verlässt Väinämöinen das Land Kalevala und fährt mit dem Schiff in den Sonnenuntergang.

Tilman Spreckelsen verbindet geschickt seine überaus poetisch gestaltete Nacherzählung der Kalevala mit seinen persönlichen Reisegedanken und biographischen Hintergrundinformationen zum Dichter des finnischen Nationalepos, Elias Lönnrot.

Das Epos selbst eröffnet den magischen Zauber der vorchristlichen Mythenwelt Finnlands und vermag, wie alle großen Erzählungen die Leserinnen und Leser von Anfang an in seinen Bann zu ziehen. Vor allem die beeindruckende Gestalt des langbärtigen Alten Väinämöinen erinnert nicht ohne Grund an Tolkiens Figur des Zauberers Gandalf.

Die poetische Sprache der Nacherzählung, die künstlerisch anspruchsvollen Illustrationen von Kat Menschik und die informativen und persönliche biographischen Notizen empfehlen Tilman Spreckelsens „Kalevala“ einer breiten Leserschaft.

Tilman Spreckelsen, Kalevala. Eine Sage aus dem Norden, ill. v. Kat Menschik
Berlin: Galiani Verlag 2014, 208 Seiten, 25,70 €, ISBN 978-3-86971-099-0

 

Weiterführende Links:
Galiani Verlag: Tilman Spreckelsen, Kalevala
FAZ: Tilman Spreckelsen
Wikipedia: Kat Menschik

 

Andreas Markt-Huter, 16-01-2015

Bibliographie

AutorIn

Tilman Spreckelsen

Buchtitel

Kalevala. Eine Sage aus dem Norden

Erscheinungsort

Berlin

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

Galiani Verlag

Illustration

Kat Menschik

Seitenzahl

208

Preis in EUR

25,70

ISBN

978-3-86971-099-0

Kurzbiographie AutorIn

Tilman Spreckelsen arbeitet für die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Er ist Herausgeber mehrerer Anthologien und Bücher, u. a. Der Mordbrand von Örnolfsdalur (2011), der Nacherzählung der Islandsagas.<br />Kat Menschik ist freie Illustratorin die für Zeitungen arbeitet und zahlreiche Illustrationen für Bücher gemacht hat wie z.B Der Mordbrand von Örnolfsdalur (2011), der Nacherzählung der Islandsagas.