„Die Obstbäume und Sträucher stehen in voller Blüte und die Bienen summen fleißig in den Baumkronen umher. Dank ihrer mühevollen Arbeit werden schon bald Äpfel, Kirschen, Birnen und Pflaumen heranreifen. Goldgelb leuchtet der Löwenzahn, aus ihm werden die Bienen Hönig machen.“

Die Biene ist für unser Ökosystem, für die Bestäubung der Pflanzenwelt von zentraler Bedeutung und hat damit auch einen wesentlichen Einfluss auf das Leben des Menschen. Albert Einstein soll im Jahr 1949 einmal gesagt haben: „Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben.“

Oft sind es diese kleinen selbstbewussten Widerspruchswörter, die in einer Erzählung als strukturierte Alternativen hervortreten. Das Wörtchen „doch“ erinnert im besten Fall an ein dynamisches Kind, welches in den Boden stampft und „doch“ schreit, um ein Begehren vorzutragen.

In Annett Krendlesbergers knapp zwanzig Erzählungen treten Heldinnen und Helden auf, die an die Peripherie der öffentlichen Wahrnehmung gerückt sind und einmal noch kurz so etwas wie einen eigenen Willen kundtun, um den letzten Rest einer eigenen Identität zu dokumentieren. Dabei gerät dieses Aufbegehren manchmal in die Nähe einer Marotte, die erst recht wieder ohne Aufmerksamkeit weggewischt wird.

„Zwei Jahre später, mit elf, entschied ich mich. Aber nicht so, wie meine Familie das gerne gehabt hätte. Ich will zu den Menschen und so leben wie sie, verkündete ich eines Morgens, nachdem wir uns den Tau aus dem Fell geschleckt hatten. Carag hat es in den Kopf geregnet, zog Mia mich auf und verpasste mir einen Hieb mit eingezogenen Krallen.“ (16)

Carag lebt als Puma mit seinen Eltern und seiner Schwester in den Wäldern der Rocky Mountains. Sie sind Woodwalker, Gestaltwandler, die sich in eine menschliche Gestalt verwandeln können. Während Carags Eltern die Menschen fürchten und ihren Umgang meiden, fühlt sich Carag von einem Leben als Mensch magisch angezogen. Als er beschließt sein weiteres Leben in Menschengestalt zu verbringen, wendet sich seine Familie von ihm ab.

Nach einer recht einleuchtenden Vorstellung besteht der Sinn des Lebens im ständigen Erzählen dieses Lebens. Wenn alles fertig ist, setzt das Leben von sich aus den Schlusspunkt.

Gabriele Kögl wählt für ihre monologische Erzählung „Höllenkinder“ eine Bäuerin als Heldin, die anlässlich des achtzigsten Geburtstags ihr Leben abarbeitet. Die Feierlichkeiten sind eine Bedrohung des geordneten Lebens, denn feiernde Angehörige und Jubiläumskind sind völlig überfordert. Es wird der übliche Tamtam aufgeboten, Essen, kleine Basteleien, Fotos, Floskeln, niemand fühlt sich so recht wohl in seiner Haut, weil es keine verlässlichen Rituale gibt, die so einen Geburtstag als Lebensbilanz erträglich machen könnten.

„»Das ist wirklich sehr ungerecht. Ich will euch helfen.« Die halbe Nacht lag der Weise wach. Gegen Morgen fiel ihm ein, dass der Kaiser Brettspiele liebte. »Das ist es!«, sagte er zu seiner Nichte. »Wir werden ihm das spannendste und schönste Spiel schnitzen, das es je gegeben hat. Der Kaiser ist die wichtigste Figur im Spiel.«“

Der Erfindung des Schachspiel wird mit einer Legende verbunden, die sowohl als Gleichnis für die wichtige Bedeutung der einzelnen Teile steht als auch Anekdote für Gerechtigkeit und die Magie der Mathematik. Während die ursprüngliche Legende in Indien anzusiedeln ist, verlegt Paolo Friz die Geschichte in die chinesische Kaiserzeit.

In den Nachfolgestaaten der Sowjetunion werden die letzten Jahre des Imperiums als „Moskauer Jahre“ bezeichnet, damit kann man zeitgenössisch präzise sein und dennoch die Gefühlsdistanz zur alten Mutter Hammer-Sichel kundtun.

Julia Kissina schickt ihre Heldin Elephantina als angehende Künstlerin von Kiew in die Hauptstadt Moskau, wo sich im halboffiziösen Untergrund eine geradezu phantastische Künstlerszene entwickelt hat. Elephantina klingt ja selbst schon wie eine Heldin aus einer angerauchten Gegend, ihr Geliebter ist Tomaterich. So wie sich die Helden der Revolution Künstlernamen wie Lenin oder Stalin gegeben haben, benützen jetzt auch die Künstler ihre Kampfnamen der Phantasie.

„Gleich ist es dunkle Nacht im Wald, die müden Tiere schlafen bald. Die kleine Eule aber, ach, sie schlief am Tag – nun ist sie wach! Und plötzlich fliegt sie los, gib acht, wünscht allen Tieren: »Gute Nacht!«“

Wenn es Nacht wird im Wald, die Tiere müde werden und sich langsam zur Nachtruhe begeben, dann erwacht die kleine Eule. Alle Tiere, und ganz besonders die zahlreichen Tierkinder, warten schon auf sie schon und ihren nächtlichen Gruß zur Guten Nacht.

In einem geordneten System wie der Medizin, der Pädagogik oder der Literatur geht man davon aus, dass etwas beabsichtigt wird, und „daneben“ können unerwünschte Nebenwirkungen auftreten. Nun wissen aber gewiefte Mediziner, Lehrer und Autoren, dass es besser ist, Haupt- und Nebenwirkung zu vertauschen, um das Ziel zu erreichen.

Ludwig Roman Fleischer untersucht in seinen literarischen Fallbeispielen knapp zwanzig solcher Nebenwirkungsfälle, die naturgemäß dermaßen skurril und „entrig“ ausgehen, dass man wahrscheinlich bei keinem Gericht der Welt den Schaden einklagen kann. In der Hauptsache ist es das System, das die Sachen vertauscht und etwa Fußnote mit Überschrift verwechselt.

„»Du kannst schon gut lesen«, sagt Mama. »Und wenn du noch ein bisschen lauter lesen würdest, dann wäre es perfekt.« Mama lächelt und streicht Luise übers Haar. Aber Luise lässt plötzlich die Mundwinkel hängen. Immer wieder fangen sie damit an. Weil sie so leise spricht. Deswegen nennen sie alle die leise Luise.“ (37)

Die siebenjährige Luise fühlt sich wohl zu Hause bei Mama und Papa und ihren beiden Brüdern Ben und Simon. Ihr fällt es nur schwer sich bemerkbar zu machen oder durchzusetzen. Luise hat nämlich eine leise Stimme und wird zu Hause und in der Schule meist überhört. Sie entdeckt aber, dass leise sein nicht immer ein Nachteil sein muss.

Lebensentwürfe zeigen ihre wahre Größe erst, wenn sie am Nullpunkt angekommen sind. Erst wenn die Helden ihrer Ideen-Verkleidungen beraubt sind, können sie auf ihre tatsächliche Überlebenskraft zugreifen.

Karoline Cvancara ist mit dem Roman „Am Tiefpunkt genial“ ein perfektes Kammerstück aus dem Wiener Bobo-Grätzl Josefstadt gelungen. Auf engstem Raum ist alles vorhanden, was man zum Glücklichsein braucht. An allen Ecken und Enden sind diese kleinen Geschäfte, die sich unter der Globalisierungshaube wegducken und Wärme und Menschlichkeit verbreiten. Die Griechen und Italiener und sonstigen Lokale sind alle „klein und angenehm“, man isst in kleinen Portionen und trinkt dazu in kleinen Schlucken, bis man dann doch den großen Fetzen ausgefasst hat.