Wenn ein Ort richtig entlegen ist, fällt er mit einer Handbewegung aus Raum und Zeit. Broken Hill ist ein abgewirtschafteter Bergbau-Ort im tiefsten Australien. Mit der schrottreifen Eisenbahn ist es leichter über die Küste nach London zu gelangen als nach Sidney.

Nicholas Shakespeare siedelt die Geschichte vor genau hundert Jahren an. Broken Hill hat den Anschluss an die Welt verloren, aus den einst gewonnenen Erzen sind längst Waffen und Kugeln gegossen, Broken Hill befeuert gerade den Ersten Weltkrieg mit seinen früheren Exporten. Im Mittelpunkt der Geschichte steht fast kitschig ausformuliert Rosalind, die mit ihren gerade mal zwanzig Jahren den Heiratsmarkt ungemein mobilisiert. Es herrscht nämlich Frauenüberschuss, weil die Männer meist schon in den Minen verunglückt sind.

„Was ist eigentlich ein Samen? Ein Samen ist der Anfang eines neuen Pflanzenlebens. Ob riesiger Baum oder kleine Ringelblume – beide werden aus einem Samen geboren. In der harten Schale des Samens ruht der Keimling. Dort liegt er geschützt und schläft.“ (5)

Für Kinder ist es eine aufregende Sache selbst Pflanzen zu setzen, Gemüse und Kräuter anzubauen und zu hegen und zu pflegen, was Wachsen zu verfolgen und am Ende voll Stolz die eigenen Lebensmittel zu ernten. Es gibt wohl wenige Orte, wo sie Kinder auf kleinstem Raum Natur so intensiv erfahren können, wie im Garten.

Auch wenn der Kapitalismus noch so sehr darauf pocht, dass man die Welt besitzen könne, Landschaften jedenfalls lassen sich nicht besitzen, sondern nur leihen. Damit gleichen sie unseren besten Büchern in den Bibliotheken, deren Inhalt man zwar besitzen kann, wenn man ihn gelesen hat, deren Korpus aber nur geliehen ist.

Marion Poschmann geht den Leihvorgang der Landschaften mit der gleichen Präzision an, mit der Bibliothekare ihre Schätze verwalten. Die „Lehrgedichte und Elegien“ sind in neun Kapitel mit je neun Gedichten unterteilt. Ganz den Gattungsbezeichnungen entsprechend sind die Gedichte didaktisch angelegt, indem etwa Gerätschaften, Sinneseindrücke oder das pure Ambiente neu definiert und in neuen Konstellationen vorgeführt werden, zum anderen sind alle Texte, die man nicht genau zuordnen kann, elegisch.

„»Martin Luther lebte im Mittelalter und ging einen riesigen Schritt voran!«, sagt Margot Käßmann, die vom Rat der Evangelischen Kirche zum Reformationsjubiläum 2017 zur »Lutherbotschafterin« berufen wurde. »Aber wir können Luther nicht nur als makellosen Helden sehen. Das war er nicht. Er hatte auch Fehler.«“ (6)

1517, vor 500 Jahren, schlug der Augustiner-Mönch Martin Luther seine 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg und gab damit den Startschuss für die Reformation, eine religiöse Bewegung, die sich vom Allmachtanspruch der katholischen Kirche distanzierte und allein die Worte der Bibel als religiöse Autorität akzeptierte. In ihrer Biographie für Kinder geht Maja Nielsen dem Werdegang Martin Luthers von seinem Bekehrungserlebnis bis zu seinem Tod nach.

Wenn man das letzte Bild von jemandem im Album hat, hat man dann sein ganzes Leben vor Augen?

Simon Konttas widmet sich in seiner Studie über eine empfindsame Männerseele dem sogenannten letzten Bild. Da es sich beim Protagonisten um einen nebenseitig tätigen Maler handelt, könnte es sich um dessen letztes Bild handeln. Andererseits geht der Held elendiglich zugrunde mit einem letzten Bild vor Augen. Und schließlich lässt sich rätseln, welches letzte Bild vom „Roman“ beim Leser haften bleibt.

„Es klingt fast unglaublich, aber mit diesem Buch hast du die ganze Welt in deinen Händen. Es ist deine Fahrkarte für eine Reise um den Planeten, durch jedes Land auf dieser Erde.“ (5)

Die aufregende Reise führt durch die verschiedensten Länder und Regionen der Erde, von den riesigen Wäldern Kanadas und Russlands über die Wüstengebiete dieser Welt bis hin zu den Ländern in den tropischen Regionen rund um den Äquator, von Europa, nach Asien, Afrika und von Amerika bis Australien.

Die Lyrik fließt nicht nur als feierliches Brimborium, als spitze Spreche oder abgeklärter Lesebucheintrag durchs Land, die wilde Lyrik ist oft unauffällig, selbstkritisch und politisch in ihrer Verweigerung des tagespolitischen Geplänkels.

Gerhard Jaschke arbeitet zäh und ungeniert auf den Sektoren lyrische Theorie, Schau-Literatur und Aushebelung falscher Konventionen. Sein lyrisches Ich quält sich an der Hinfälligkeit biologischer Körper und lyrischer Formen ab. Legendär ist seine unverwüstliche Zeitschrift FREIBORD, und auch seine Methode, fallweise die Lyrik als Bauchladen auszustellen und griffbereit zu halten, ist ein Fall gelungener Dokumentationskunst.

Letztlich sind viele Typen prädestiniert, sich vor der Nacht zu fürchten. Die Kinder, wenn sie mit Gruselprogramm zu Bett gebracht worden sind, die erotisch Inspirierten, wenn das Tun nicht mehr mit dem Wollen übereinstimmt, die Künstler, wenn sie in der Finsternis dem aufgeklärten Licht ihrer Werke entrückt sind.

Dine Petrik nimmt diese Flucht vor der Nacht zum Anlass, um einen Künstler anlässlich des Millennium-Sprungs Bilanz ziehen zu lassen. Dabei wird nicht nur der kaputte Maler seziert, auch die Gesellschaft der Adabeis und die ganze Hautevolee kommen anlässlich der Silvesternacht 2000 an ihre Grenzen und werden somit an die Finsternis herangeführt.

„Ich bin die kleine Blitzwerferin. Die Leute kennen meinen Namen, mein Gesicht und sie wissen, wozu ich im Stande bin. Ich bin wertvoll, ich bin stark, und Maven wird alles tun, um mich von einem Gegenschlag abzuhalten.“ (12)

Nachdem es Mare Barow gelungen ist mit Prinz Cal ihrer geplanten Hinrichtung durch den verräterischen neuen König von Norta, Cals Bruder Maven, zu entkommen, befinden sie sich mit den Mitgliedern der Scharlachroten Garde auf der Flucht. Während Mare ihren totgeglaubten Bruder Shade wiedertrifft, der wie sie zu den „Neublütern“ mit außergewöhnlichen Fähigkeiten gehört, wird Cal als potentieller Feind von den Aufständischen gefangen gehalten. Mare weiß, dass sie die „Neublüter“ warnen muss, bevor es König Maven gelingt, sie ausfindig zu machen.

Die höchste Kunst des Erzählens ist die Auflösung von Ort, Zeit und Handlung, sie führt vielleicht zu einem anderen Tod.

Ferenc Barnás gelingt etwas, das alle Schreibwerkstätten und Erzähllehrstühle ad absurdum führt, er fesselt die Leserschaft mit einem sperrigen Textblock, der nicht einmal Roman genannt wird und kaum Handlung, Zeitgeist oder Didaktik enthält. Es geht vielleicht um das Zusammenführen unbewusster Gedankenströme am Kontinent, um das Abtauchen eines Individuums in der eingedickten Zeitgeschichte und um die Transformation zerlegter Augenblicke in die Zeitlosigkeit.