„Wohin ziehen wir?“, hatte Rosie gefragt. „Nicht weit weg“, war Mamas Antwort gewesen, „bloß ans andere Ende der Stadt.“ Aber das andere Ende der Stadt kommt Rosie vor wie das andere Ende der Welt. Selbst das Wetter ist nicht dasselbe, denkt sie. (5f)

Rosie und ihre Mutter stehen vor ihrem neuen Zuhause, einem düsteren Hochhaus am Rande der Stadt. Doch obwohl alles zunächst eher trist erscheint, werden beide von der Lebendigkeit und Freundlichkeit der Hausbewohner überrascht. Vor allem Rosie lernt gleich zu Beginn einen guten neuen Freund, Moussa kennen, mit dem sie sich auf eine abenteuerliche Entdeckungsreise auf das Dach des Hochhauses begibt.

Wer glaubt, Tragödien mit elementarer Schicksalsherausforderung könnten nur in hohen Position oder sozialen Randlage auftreten werden, ist wohl in die Irre geführt. Die höchsten Anforderungen an das Leben stellen sich immer aus heiterem Himmel heraus bei Sonnenschein.

In Carsten Ottes Roman „Warum wir“ macht sich ein paar Seiten lang die Idylle breit, ehe es dann richtig losgeht. In einem zeitgemäßen Patchwork-Arrangement freuen sich der Ich-Erzähler Jan und seine Frau Nina auf das Kind, das soeben vom Schwangerschaftstest bestätigt worden ist. Er wird zum ersten Mal Vater und ist aus dem Häuschen vor Glück, sie hat bereits zwei Kinder und blickt eher routiniert in die Zukunft.

„Niko saß wie versteinert in seinem Bett. Was war da eben an der Decke seines Zimmers erschienen? „Wenn du möchtest, dass sich etwas ändert, dann hör auf, immer das gleiche zu tun.“

Um nicht zu spät zu seinem Physikunterricht zu kommen und inspiriert von der Erscheinung über dem Bett beschließt Niko an diesem Tag die Straße hinauf, statt wie sonst hinunter zu gehen. Auf seinem Weg kommt er an einem alten, verfallenen Haus vorbei, das mit drei Riegeln verschlossen ist. Im Haus, wo er bereits erwartet wird, eröffnet sich für ihn eine neue Welt, die ihn durch Raum und Zeit führen wird.

„Umfragen belegen, dass das Wissen über und das Interesse an Europa bei den Bürgern und Bürgerinnen vergleichsweise gering ist. Dieses Unwissen ist nicht nur bedauerlich, sondern gefährlich: Europa lebt von seinen Bürgern und Bürgerinnen.“ (9)

Um das Projekt Europa zu sichern, braucht es überzeugte Europäer, welche die Europäische Union um ihrer Bedeutung für Freiheit und Frieden, Demokratie und Menschenrechte sowie Gleichheit und Solidarität unterstützen und bejahen. Diese Europäer müssen jedoch erst gebildet werden und zwar dort, wo Bildung auf das Leben in der Gesellschaft vorbereitet, in der Schule.

Das Ungeheure lässt sich nur erzählen, wenn Erzähler und Leser mit ihrem jeweiligen Wissensschatz an das Thema herangehen.

Ludwig Laher kümmert sich in seinem Roman „Bitter“ um eine hohe österreichische SS-Figur, an deren Beispiel sich der öffentliche Umgang mit der Historie herausarbeiten lässt. Gleich zu Beginn stellt Ludwig Laher das Konzept vor. Die Figur Bitter ist ein literarisches Statement, das mit den Mitteln der Fiktion, der Verkürzung und extremen Ausleuchtung arbeitet.

Bei jeder Mauer gibt es die interessante Frage: Wo ist vorne und wo hinten und woraus besteht sie?

Bei Alissa Ganijewa besteht die Mauer vor allem aus Gerüchten und zieht sich folgerichtig durch die Köpfe der Protagonisten. Der Roman „Die russische Mauer“ beschreibt das Leben in Dagestan, das aus einer mythologischen Erfolgsgeschichte und einem gegenwärtigen Desaster besteht.

„In meiner Schule gibt es drei Banden, die Jupp-jupp-Bande, die Patrick-Bande und die Olivier-Bande. Ich selbst bin in keiner Bande.“ (7)

Tristan besucht die dritte Klasse Volksschule und gehört zu den Kindern, die kein Mitglied einer Bande sind, was das Leben nicht gerade leicht macht. Oliver, der in seine Klasse hat mit Schülern aus der fünften Klasse eine eigene Bande gegründet. Eines Tages muss Tristan erfahre, dass ihn Oliver auf seine Feindesliste gestellt hat. Völlig verwirrt und eingeschüchtert sucht Tristan nach einer Lösung.

In der Geschichtsschreibung gibt es zwar Modelle für Kriegserklärungen, Schlachten und Friedensverträge, aber kaum eine Erzählform kümmert sich um die Auswirkungen dieser großen Veranstaltungen auf das Individuum.

Ruth Aspöck wählt eine besondere Form der Familienaufstellung, um den Übergang des Krieges in eine sogenannte normale Weltordnung zu dokumentieren. Dabei teilt sie die Rollen in straff eingegrenzte Ideal-Typen auf, die Figuren sind freiwillig Gefangene von Ideen und versuchen durch Klarheit mit diesen Rollen zurechtzukommen.

„Und unsere Sache heißt: Was ist eigentlich die Philosophie!“ Sofort hebt Lisa die Hand wie in der Schule. „Philosophie ist die Lehre der Weisheit.“ Na, da ist aber eine heute sehr früh aufgestanden und hat im Lexikon nachgeschaut.“ (10)

Ida, Lucas, Tim, Lisa und Celia gehen mit ihrem Professor ein paar Tage zelten, weil er ihnen nach dem spannenden Gespräch über die Erde und das Weltall nun auch noch Einiges von der Philosophie erzählen möchte, angefangen von dem, was die Philosophie eigentlich ist bis hin zu der bei den alten Griechen entstandenen Vorstellung, dass es keine Götter gibt, welche die Welt der Menschen lenken und beeinflussen.

Bücher über das österreichische Schul- und Bildungswesen haben meist eine Kreissäge eingebaut, mit der sie in schrillen Tönen das Sujet zerschneiden und keinen Stein auf dem anderen lassen.

Umso bemerkenswerter ist der Zugang Ronald Zechas, der durchaus in die Zukunft blickt aber dabei nicht den Stab über die Gegenwart bricht. Es könnte doch sein, dass an unserem Bildungssystem etwas Gutes ist, meint er fast schon rebellisch sanft.