Aurelia Seidl-Todt, was so gut anfing

Halbsätze kommen den Lesern verführerisch entgegen, indem sie einladen, den Halbsatz zu vervollständigen nach Laune und Wissenstand.

Aurelia Seidl-Todt stellt so einen Halbsatz als Motto über ihren Gedichtband, „was so gut anfing“ zeigt schon das Lauernde, dass es vielleicht nicht gut ausgegangen ist oder dass schließlich etwas ganz anderes zum Vorschein gekommen ist.

In einer fast Tagebuchartigen Ermunterung „Poesie lauert überall“ zeichnet das lyrische Ich zuerst einmal die Themen auf, die es jäh und ungeschminkt überfallen, dann formuliert es ein lyrisches Gerüst, in das wie ein Köder eine Fragestellung gehängt ist, ehe der Leser eingeladen wird, das Denk-Gebilde selbst zu vollenden.

„was so gut anfing // dich zu lieben und zu ehren / in guten wie in schlechten … / Sie: du liebst mich nicht mehr / ehrst mich nicht / bescherst mir nur noch / schlechte Tage / Er: du bist es nicht mehr / warst es nie / du wirst es niemals sein“ (81)

An solchen Gedichten reißt manchmal der Faden der Geläufigkeit ab und es tritt jäh die Wahrheit zu Tage.

In diesen Schnittwunden der Erkenntnis keimen die poetischen Bilder auf, deren große Themen in diesem Band Poesie, Landschaft, Zeit, Erinnerung und Ende heißen.

Im letzten Kapitel bricht unter der knappen Formulierung „nun so endet“ die finale Lebenserfahrung auf, mal in einen verfallenden Körper, mal als verloschene Freundschaft, zu Ende gebracht im Hospiz.

„breit gemacht // in meinem Körper / meinen Kleidern / meinen Schränken / breit gemacht / in meinem Einzelbett“ (109)

Die Poesie der Moribunden schließlich gehorcht keinen Gesetzen mehr, wenn sich die Rätsel selbst lösen, indem sie verlöschen.

„im Hospiz // mein Freund der Maler / hat keinen Pinsel mehr / das Schauen tief einwärts / wo seine Farben verlöschen / und er abwirft die Last / wie draußen die Bäume / was sagt man einem / der bald schon geht / deine Wünsche – gib sie mir mit / ich trag sie für dich in Räume voll Licht / herzzerreißend schön ist heute die Stadt / ich denke wie lange noch / und stapfe durchs Laub“ (106)

Dieses Hospiz-Gedicht ist vielleicht eine Antwort auf diesen melancholischen Seufzer „Was so gut anfing“.

Aurelia Seidl-Todt, was so gut anfing. Lyrik.
Innsbruck: Tiroler Autorinnen und Autoren Kooperative TAK 2014. 124 Seiten. EUR 15,-. ISBN 978-3-900888-56-5.

 

Weiterführender Link:
TAK: Aurelia Seidl-Todt, was so gut anfing

 

Helmuth Schönauer, 01-07-2014
 

Bibliographie

AutorIn

Aurelia Seidl-Todt

Buchtitel

was so gut anfing

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2014

Verlag

TAK Verlag

Seitenzahl

124

Preis in EUR

15,00

ISBN

978-3-900888-56-5

Kurzbiographie AutorIn

Aurelia Seidl-Todt, geb. 1948 in Lilienfeld / NÖ, lebt seit 1971 in Tirol.