Bernd Schuchter, Gebrauchsanweisung für Tirol

Der Führer muss braver sein als das Land, durch das er führt! - Nach dieser Tourismus-Vorgabe erscheinen in Tourismus-Ländern regelmäßig Führer, die eine brave Geschichte fortschreiben und mit dem Hauben-Koch des aktuellen Jahres beenden.

Bernd Schuchter hat unter dieser Vorgabe die „Gebrauchsanweisung für Tirol“ verfasst. Zusätzlichen Druck macht ihm dabei Reinhold Messner, der vor Jahren im gleichen Verlag die Gebrauchsanweisung für Südtirol geschrieben hat.

Der Nord-Osttiroler Führer ist tapfer erledigt, könnte man vorausschicken. Die ewige Erzähl-Kette Goethe – Heine – Schluiferer – Weigel – Schöpf ist perfekt eingehalten, somit wirkt das Tirol-Bild scheinbar logisch, weil es nie anders erzählt werden darf.

Das ist der Punkt, an dem der Einheimische kaut. Natürlich ist die Gebrauchsanweisung für externe Tiroler gedacht, die sich damit vielleicht eine schlaflose Nacht im Hotel um die Ohren hauen wollen. Aber in der Umkehrforderung möchte ich als Tiroler keinen Führer beispielsweise über die Franken lesen, wenn dieser so brav ausgefallen wäre.

Der Autor ist Jahrgang 1977 und die älteren Jahrgänge im Land müssen ihm ordentlich den Kopf gewaschen haben, dass er kampflos so eine brave Geschichte abliefert. Die Leser hätten es sich verdient, auch von jenen zu erfahren, die etwas denken im Land, in Gerichtsverfahren die Freiheit der Kunst erstreiten und der seit Jahrhunderten regierenden Einheitspartei Paroli bieten.

Der Text ist ordentlich gemacht und erinnert phasenweise an das Tonband, das im Innsbrucker Sightseer abgespielt wird, wenn dieser das Kanalnetz oberirdisch befährt. Es geht um Grüßgott oder Tschüss, Versuche um den Heimatbegriff, Lederhosen, den ewigen Sandwirt, Wamperlereiten, schlecht frisierte Rebellen und Ausflugsziele. Lieblos und beliebig ist diese Auswahl, die Touristen von heute sind intelligenter, als die hier implizierten Primitivlinge, denen man die Geschichtchen vorträgt wie ein angefressener Fiaker.

All das macht diese Gebrauchsanweisung letztlich sehr abweisend. In einer langen Moderation werden triviale Tirol-Anekdoten abgearbeitet und ab und zu bleibt nur mehr die Moderation ohne Inhalt übrig.

Wahrscheinlich wird jedes Fachgebiet unter dieser Vorgansweise leiden, der Historiker genauso wie der Straßenreferent und der Blasmusiker. Von der Literaturwarte aus gesehen ist das Buch schon sehr fadenscheinig zusammengebastelt. Da zitiert einmal der Autor sich selbst, wie er mit seinem Roman durch das Land tourt und dabei die Tiroler mit seinen Thesen überschüttet, andererseits ruft er die offiziell geförderten und naturgemäß braven Dichter zu Meinungsmachern aus. Besonderes Lob kriegt etwa Sepp Mall, seine Angepasstheit an das offizielle Tirol-Bild wird extra erwähnt.

Wenn jemand Einheimischer das Buch liest, dann weiß er, was man von einem braven Tiroler erwartet, wenn es ein Auswärtiger liest, wird er überrascht sein, wie quicklebendig das Land trotz dieser Gebrauchsanweisung ist.

Bernd Schuchter, Gebrauchsanweisung für Tirol
München: Piper 2017, 210 Seiten. 15,50 €, ISBN 978-3-492-27696-2

 

Weiterführende Links:
Piper Verlag: Bernd Schuchter, Gebrauchsanweisung für Tirol
Wikipedia: Bernd Schuchter

 

Helmuth Schönauer, 06-09-2017

Bibliographie

AutorIn

Bernd Schuchter

Buchtitel

Gebrauchsanweisung für Tirol

Erscheinungsort

München

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Piper Verlag

Seitenzahl

210

Preis in EUR

15,50

ISBN

978-3-492-27696-2

Kurzbiographie AutorIn

Bernd Schuchter, geb. 1977 in Innsbruck, lebt als Verleger und Autor in Innsbruck.