C.H. Huber, FORT SCHREIBUNG

Manchmal nimmt einen die Lyrik gleich mehrfach bei der Hand und verführt einen auf der Hinterseite der Begriffe, an der Unterseite der Überschrift oder einfach an einem Ort außerhalb der Zeit.

C.H. Huber fährt mit ihren Gedichten verlässlich fort, etwas einmal Formuliertes im Auge zu behalten und fortzuschreiben, gleichzeitig schreibt sie sich ein lyrisches Ich fort aus den Gegebenheiten des Alltags.

So ist ihre Gedichtsammlung unterteilt in die Zyklen „Gemischtes Gekochtes / Kleine Ornithologie / Dieses Eine / Jener andere / am A der Welt“. Dabei spitzt sich meist eine Alltagssituation zu und bricht als verdichteter Lebenslauf aus einem skeptischen Mund hervor.

geboren in / eine fördernde familie / jahre am theater / keine kinder / begonnen früh mit dem was / auch / immer gewollt // waswennskepsis (14)

Der Titel steht als Schlussfolgerung am Ende des Gedichts und klärt die Situation, indem die nächste Fragestellung gesetzt wird.

Was so alles im Leben quer läuft, zeigt sich an Sequenzen über Totgeburt, Phantomschmerzen, Witwenschmäh, Katastrophen, Liebesordnung oder dem „tierisch törgellen“ (55). Dabei fallen in extremer Ausgelassenheit die Abendgesellschaften über Kastanien, Wein und sich selber her.

Neben lyrischen Ausbuchtungen in fernen Ländern stoßen immer wieder Tirol-spezifische Ungeheuerlichkeiten aus den Gedichten hervor. Die Stadt klumpt als „eingeschlafener Fuß“ durch die Talsenke, auf der Hungerburg toben Flora-Raben herum, eine Lichtkomposition geht in Franz Tumlers Volterra über. Am A der Welt zieht die lyrische Seele in der Schwarzmanderkirche mit schreckensweiten Augen zuerst vor die XL-Figuren und versickert dann vor Maximilians leerem Grab (99).

In ein einem hitzigen Gemenge grillt sich schließlich eine träge Gesellschaft durch die jüngere Zeitgeschichte, drapiert die historischen Gegebenheiten wie Grillgut und macht sich einen feisten Nachmittag.

die tirolernussölfraktion liegt / schon da braun bis ins mark / vernichtet stammtischerprobt / ihr lästige insekten / anno nazimal / copyright bei freund franz / ließ einer hier in der gegend / sein leben landete erschlagen / im inn schäfchenwolken grasen / jetzt dem harmlosen himmel / das blau ab / die braunen legen ihr fleisch / auf den grill durch den / rost in die frische glut / fallen derzeit nur / fette worte // derzeit (121)

C. H. Hubers Gedichte, meist auf den Kopf gestellt, stellen auch die gewohnten Sehweisen auf den Kopf.

C.H. Huber, FORT SCHREIBUNG. Lyrik der Gegenwart 31.
St. Wolfgang: Edition Art Science 2013. 123 Seiten. EUR 11,-. ISBN 978-3-902864-21-5.

 

Weiterführende Links:
Edition Art Science: C.H. Huber, FORT SCHREIBUNG
Homepage: C.H. Huber

 

Helmuth Schönauer, 19-06-2013

Bibliographie

AutorIn

C.H. Huber

Buchtitel

FORT SCHREIBUNG

Erscheinungsort

St. Wolfgang

Erscheinungsjahr

2013

Verlag

Edition Art Science

Reihe

Lyrik der Gegenwart 31

Seitenzahl

123

Preis in EUR

11

ISBN

978-3-902864-21-5

Kurzbiographie AutorIn

C. H. Huber, geb. 1945 in Innsbruck, lebt in Innsbruck.