Margit Kröll, Zufallsopfer
Obwohl man Land und Leuten von Tirol letztlich alles zumutet, ist man doch immer wieder überrascht, wenn sich in der Literatur ein Fall zu einem Weltproblem aufschaukelt.
Margit Kröll zeigt in ihrem Hypo-Roman „Zufallsopfer“ recht eindringlich, wie das Verbrechen überall zuschlägt, wo es um Geld geht. Und da es besonders in Tirol Tag und Nacht um Geld geht, ist auch das Verbrechen immer auf dem Sprung zum nächsten Auftritt.
Robert ist mit seinem Sohn mit der Lieblingsbeschäftigung der Tiroler unterwegs: einkaufen. Gerade haben die beiden ruckzuck alles im Baumarkt erledigt, da werden sie am Parkplatz überwältigt und bei helllichtem Tag entführt.
Aber noch nicht genug damit, drei Jugendliche haben den Schul-Bus versäumt und warten gelangweilt auf den nächsten, da werden auch sie eingepackt und in einem Lieferwagen verschleppt.
Der Roman wird jeweils aus der Perspektive der beteiligten Figuren heraus erzählt, somit entsteht eine tolle Erzählgeschwindigkeit und der Leser ist immer ein Kapitel voraus, weil er aus der Perspektive von A bereits erlebt hat, was B noch bevorsteht. Wie in einem Staffellauf wird der Fall immer weitergegeben.
Zuerst sind es nur die Entführten, dann kommen allmählich die besorgten Eltern und Geschwister hinzu, die eine gewisse Zeit brauchen, um die Tragweite des Falles überhaupt zu kapieren. Und die Polizei muss überhaupt erst geweckt und aus dem Standby-Modus der Beamten hochgefahren werden, ehe sie zu einer Empfindung fähig ist.
Das Innere des Lieferwagens entwickelt sich zu einer Hölle, da niemand sich vorstellen kann, worum es eigentlich geht und wohin die Fahrt noch führen soll. Zur Vorsicht laufen bei den Beteiligten die Todesangst-Geschichten ab, jeder reflektiert noch einmal sein Leben und entschuldigt sich für die Banalitäten, mit der er so viel Zeit verbracht hat.
Mittendrin wird es dann vollends ernst, als die Entführten einzeln betäubt und offensichtlich für den Organhandel vorbereitet werden. - Das Ende darf hier naturgemäß nicht verraten werden, aber dass die Geschichte in Osttirol endet, zeigt, dass es noch viele Abenteuer bis dorthin zu bestehen gilt.
Margit Kröll hat einen pfiffigen Thriller geschrieben, ab zwölf geeignet, wie sie am Cover vermerkt. Die Innenperspektive der Jugendlichen verrät dabei eine Menge über die Lebensvorstellungen, Abläufe, Lieblingsgeräte und den allgemeinen Konsum, der das ganze Land bestreicht. Gute Geschäfte sind immer auf Zufall aufgebaut, lautet die Erkenntnis, und das Verbrechen ist immer dabei, gute Geschäfte zu machen. Vermutlich gilt auch der Umkehrschluss, dass nämlich gute Geschäfte ein Verbrechen sind.
Margit Kröll, Zufallsopfer. Hypo-Roman.
Meitlingen: Edition DAB 2014. 470 Seiten. EUR 15,-. ISBN 978-3-940036-24-7.
Weiterführende Links:
Verlag Torsten Low – Edition DAB: Margit Kröll, Zufallsopfer. Hypo-Roman
Homepage: Margit Kröll
Helmuth Schönauer, 29-04-2014