Martin Mumelter, Spiegelfuge

Gewisse Kunsttechniken sind so knapp an die Seele herangeschneidert, dass sie in mehreren Kunstgattungen auftreten können und dabei jeweils die Psyche der Protagonisten oder die Melodie der Seele zum Klingen bringen.

Martin Mumelter ist Musiker und für ihn hat es mit dem Titel „Spiegelfuge“ wahrscheinlich etwas höchst Musikalisch-Mathematisches auf sich. Man ist an den Thomas Bernhardschen Kosmos erinnert, worin die Figuren stets eine eigene Musik im Kopf haben, sich in sich selbst zurück ziehen und als Ganzes zum Schwingen bringen. Fuge und Spiegel sind zutiefst musikalische Begriffe.

Im Roman „Spiegelfuge“ ist das ehemalige Violinwunderkind Constant Meyer auf die schiefe Bahn geraten und begegnet uns jetzt als Häftling, der zwischen Freigang, Therapie, Analyse und Theorie aus dem eigenen Stück herausfinden will, das offensichtlich das Unterbewusstsein mit ihm spielt. Sein Gegenüber ist primär die Psychoanalytikern Catherine, die nur bedingt einen Widerpart abgibt. Constant wird seinem Namen gerecht und er verteidigt konstant und felsenfest seinen Lebens-Kurs, den er vor allem aus der Lektüre entscheidender Werke der Weltliteratur ableitet.

Während sich Catherine in Form einer Supervision mit Freunden vor den Zugriffen ihres Klienten zu wehren versucht, spielt Constant das volle Beziehungsprogramm, indem er heikle Stellen zum Roman erklärt und dadurch als Kunstform über das Gesetz der Psychoanalyse stellt, wonach zwischen Therapeuten und Klienten ausschließlich Dienstverhältnisse zu herrschen haben.

Als Medium zwischen den Protagonisten und als Ansprache an uns Leser tritt ein kursiv gesetzter Kommentar auf, der mit „hallo Leute“ jeweils die Metaebenen der Anspielungen, die Handlungen, Problemfelder und Absichten erklärt. Die entscheidende Frage lautet: Kann ich mit den Formen eines Romans ein Stück Unterbewusstsein erzählen, ohne dass es bloß ein Roman ist? Im entfernten Sinn taucht hier das Brochsche Erzählprinzip vom Tod des Vergil auf.

Zurückspulen auf Leitfiguren: warum wurde er so? Warum spiegeln sie einander? Was ist in den Kinderjahren passiert, als der Held zur Geige gezwungen worden ist? - Diese Fragen aus dem meditativen Off werden oft mit handfesten Geschichten, Lektüre-Konzepten und Mitschriften zum Alltag essayistsch behandelt. Und immer wieder gibt es Lebensweisheiten und Sprichwörter, an denen man sich als Leser austesten lassen kann.

Die einen haben Brot, die anderen Zähne! (58)

Wenn man sich einmal auf den essayistischen Sound eingelassen hat, nimmt man die Konstellation der Figuren und das Handlungsgerüst als Nebensache, die höchstens zum Nacherzählen wichtig ist. Das Hauptthema aber ist das Leben, das sich vielleicht nur als flüchtige Spiegelfuge darstellen lässt, das man nicht nacherzählen kann, das aber trotzdem lange nachklingt, wenn man es einmal intellektuell angeschlagen hat. - Eine anspruchsvoller „Doch-Roman“, der schlummernde Fragen zum Ausrasten bringt.

Martin Mumelter, Spiegelfuge. Roman
Innsbruck: Edition Laurin 2015, 380 Seiten, 24,90 €, ISBN 978-3-902866-32-5

 

Weiterführende Links:
Edition Laurin: Martin Mumelter, Spiegelfuge
Wikipedia: Martin Mumelter

 

Helmuth Schönauer, 04-12-2015

Bibliographie

AutorIn

Martin Mumelter

Buchtitel

Spiegelfuge

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2015

Verlag

Edition Laurin

Seitenzahl

380

Preis in EUR

24,90

ISBN

978-3-902866-32-5

Kurzbiographie AutorIn

Martin Mumelter, geb. 1948 in Innsbruck, lebt in München.