Neue Heimat Tirol (Hg.): Galerien Neue Heimat Tirol

Gute Denkmäler müssen immer wieder nachjustiert und umgebaut werden, sonst geht ihnen der Diskussionssinn verloren und sie werden zu Archivmaterial.

Der Begriff Denkmal im weiteren Sinn kann auch Gebäude und Stadtteile beinhalten, wenn sie als nacheinem Denkmal-Konzept errichtet worden sind. Die sogenannten „Südtiroler Siedlungen“ sind neben der puren Wohnraumbeschaffung für Südtiroler Optanten immer auch als gebauter politischer Wille zu sehen. Mit ihren sich an Burgen, Festungen, Grabmälern, Lauben oder Bauernhöfen orientierenden Elementen sollten sie den Übersiedelten ein Stück transplantierte Heimat geben. An die Integration mit der bereits vorhandenen Bevölkerung ist vermutlich nicht einmal gedacht worden.

Mittlerweile sind die Südtiroler Siedlungen in jenes Alter gekommen, in denen das pure Wohnen nicht mehr möglich ist. Bei der Frage nach Sanierung geht die Neue Heimat Tirol einen sehr zukunfts-offenen Weg, das Historische wird gewürdigt und saniert, in verdichteter Bauweise freilich werden die Gebäude mit einer aktuellen Bevölkerung belegt, die sich durchaus anders zusammensetzt als jene aus der Optionszeit.

Eine besonders hermetische Optionssiedlung besteht im Innsbrucker Stadtteil Pradl, die ab 1939 damals noch am Stadtrand angelegt worden ist. Mittlerweile gilt Pradl als Topadresse und in einem raffinierten Mix aus restaurierter Kernzone und verdichteter Ummantelung wird sich bis 2020 ein völlig neues Wohngemenge zeigen.

Zwischen den einzelnen Blöcken und Solitären gibt es zwölf Durchlässe, die in einem Wettbewerb für Künstler zugänglich gemacht werden. Die zwölf Projekte bringen Kunst auf das Gelände, pflegen die historischen Begründungen der Anlage und evozieren einen zeitlosen Raum, der beim bloßen Durchschreiten täglich anders erlebt werden kann.

Anton Christian zeigt ein poröses chromatisches Gebilde aus Himmel und Erde, worin verschämt die Jahreszahlen 1939 am Kopf stehend und 2015 eingraviert sind.
Claudia Fritz zerknüllt die Wand zu einem Ausriss aus einer Tageszeitung, in der harmlose Wörter um gefährliche Begriffe gesetzt sind.

Heinz Gappmayr stiftet aus dem Nachlas seine elementare Aufteilung der Welt in Raum und Zeit.

Georg Herold spricht in seiner Wandnavigation nur von West- und Osttirol, um den tabuisierten Himmelsrichtungen des Tirolerischen zu entgehen.

Peter Kogler hingehen zeigt in einem quergelegten Triptychon die Wallungen von zuckenden Geographiegebilden als Gitternetz der Untiefen.

Nikolaus Schletterer legt eine Leucht-Bremsspur durch seine Galerie, eine Art Leitsystem ins Nirgendwo, die aber gut durch den Torbogen kommt.

Diese begehbaren Kunstwerke sind eine kluge Antwort auf die Frage, was man mit einem abgewohnten Denkmal tun soll. Die einzelnen Kunstwerke sind durch Gaby Gappmayr bestens beschrieben, so dass man sich auskennt, obwohl manche Installationen noch gar nicht fertig sind.

Neue Heimat Tirol (Hg.), Galerien Neue Heimat Tirol. Kunst am Bau in Innsbruck, Pradl
Innsbruck: Haymon Verlag 2015, 48 Seiten, 19,90 €, ISBN 978-3-7099-72309-4

 

Weiterführender Link:
Haymon Verlag: Neue Heimat Tirol (Hg.): Galerien Neue Heimat Tirol

 

Helmuth Schönauer, 29-07-2016

Bibliographie

Buchtitel

Galerien Neue Heimat Tirol. Kunst am Bau in Innsbruck, Pradl

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2015

Verlag

Haymon Verlag

Herausgeber

Neue Heimat Tirol

Seitenzahl

48

Preis in EUR

19,90

ISBN

978-3-7099-72309-4