Kirsten Boie, Es gibt Dinge, die kann man nicht erzählen

„Ich kenne einen Jungen in Afrika, der ist elf Jahre alt und lebt in den Hügeln von Shiselweni, wo es schöner ist, als irgendwo sonst auf der Welt, nicht weit von Hlatikulu. Mit seiner Gugu lebt er da und mit Nomphilo, seiner Schwester; und was morgen sein wird oder in einem Jahr, wenn er zwölf Jahre alt ist, danach fragt er nicht.

Wenn wir Berichte über Afrika hören, ist meist von Armut, Hunger und Krankheit die Rede. Kirsten Boie lässt in ihren Erzählungen hinter all diesen anonymen Meldungen die einzelnen Menschen und ihre Schicksale erscheinen.

Bereits der Titel „Es gibt Dinge, die man nicht erzählen kann“ deutet an, dass die Geschichten einerseits von Dingen erzählen die furchtbar und schrecklich sind, andererseits aber auch von Entscheidungen, Empfindungen, Schuldgefühlen u.a. die sich nur schwer in Worte fassen lassen.

Die erste Erzählung „Ich kenne einen Jungen in Afrika“ erzählt vom elfjährigen Thulani, der in Swasiland lebt und der sich nach dem Tod seiner beiden Eltern um seine achtjährige Schwester Omphilio sowie seine Gugu, die Großmutter kümmern muss. Obwohl auf Anweisung des Königs für Waisenkinder der Gratisschulbesuch besteht und es ein Dorf für Kinder gibt, die keine Eltern mehr haben, bleiben diese Hoffnungen für den Jungen unerfüllt.

Auch in der zweiten Erzählung „Mamas Buch“ geht es um das Schicksal zweier Waisenkinder, die vor kurzem ihre Mutter verloren haben. Ihr Vermächtnis hat sie ihrer Tochter Sonto in Form eines Buches hinterlassen. Dort offenbart ihre Mutter, dass von ihrem Onkel vergewaltigt worden war, dem Vater ihres ersten Kindes Phefeni, der mit 13 Jahren an Aids gestorben war. Sie schreibt Sonto aber auch von ihrer Angst, dass sie ihre Kinder angesteckt haben könnte. Voller Angst besucht Sonto mit ihrer Schwester die Krankenstation von Mhlosheni, wo sie sich untersuchen lassen.

„Jabus Schuhe“ ist die Geschichte der jungen Lungile, die sich für ihre Schwester Jabu auf den Weg in die Stadt macht, um Arbeit zu finden, um ihr Schuhe zu kaufen, die für den Besuch einer Schule vorgeschrieben sind. Doch Arbeit für Kinder ist schwer zu finden.

Kinder dürfen nicht arbeiten im Land, der König will nicht, dass Kinder arbeiten in seinem Land, weiß Lungile das nicht? Kinder sollen zur Schule gehen. Hier jedenfalls, haben sie keine Arbeit für Lungile.

Lungile ist schließlich bereit, alles zu tun, um für ihre Schwester das nötige Geld für die Schuhe zu besorgen, die sie für den Schulbesuch so dringend braucht.

Die letzte Geschichte „Die Gugu brennt“ erzählt von Sipho, der sich wegen eines verwehrten Eies weigert, für seine Großmutter Wasser zu holen, was noch dazu als traditionelle Aufgabe der Frauen betrachtet wird. In dem daraus entzündenden Streit mit seiner Gugu, kommt es zu einem folgenschweren Unfall. Die Großmutter fängt Feuer.

So tragisch die einzelnen Schicksale den jungen Leserinnen und Lesern auch erscheinen mögen, so berühren sie uns vor allem deshalb, weil sie von konkreten Menschen aus Fleisch und Blut, mit Ängsten und Träumen, mit Mut aber auch Schwächen erzählen, die sich von unseren eigenen nicht wesentlich unterscheiden. Kirsten Boies Erzählungen sind von tiefem Respekt vor den Menschen getragen, die ihnen trotz aller würdelosen Lebensumstände immer ihre menschliche Würde belässt. Ein berührendes Buch, das jugendlichen Leserinnen und Lesern wärmsten empfohlen werden kann und möglichst viele junge wie alte Leserinnen und Leser erreichen soll.

Kirsten Boie, Es gibt Dinge, die kann man nicht erzählen. Ill. v. Regina Kehn, ab 14 Jahren
Hamburg: Verlag Friedrich Oetinger Verlag 2013, 112 Seiten, 13,40 €, ISBN 978-3-7891-2019-0

 

Weiterführende Links:
Verlag Friedrich Oetinger: Kirsten Boie, Es gibt Dinge, die kann man nicht erzählen
Wikipedia: Kirsten Boie

 

Andreas Markt-Huter,22-10-2013

Bibliographie

AutorIn

Kirsten Boie

Buchtitel

Es gibt Dinge, die kann man nicht erzählen

Erscheinungsort

Hamburg

Erscheinungsjahr

2013

Verlag

Oetinger Verlag

Illustration

Regina Kehn

Seitenzahl

112

Preis in EUR

13,40

ISBN

978-3-7891-2019-0

Lesealter

Altersangabe Verlag

14

Zielgruppe

Kurzbiographie AutorIn

Kirsten Boie wurde in Hamburg geboren ist eine der renommiertesten deutschen Autorinnen des modernen Kinder- und Jugendromans. Neben Kinder- und Jugendbüchern schreibt Kirsten Boie auch kleinere Drehbücher fürs Kinderfernsehen, außerdem Vorträge und Aufsätze zu verschiedenen Aspekten der Kinder- und Jugendliteratur. Sie lebt mit ihrem Mann im Einzugsbereich von Hamburg.<br />Regina Kehn, geboren 1962 in Hamburg, studierte an der Hamburger Fachhochschule für Gestaltung und arbeitet seit 1988 als freie Illustratorin für Zeitschriften und Verlage.