Hans Raimund, Vexierbilder

Buch-CoverEin Vexierbild ist eine vorläufig fixierte Illusion, die sich bei genauerem Hinsehen als etwas ganz anderes entpuppen kann.

Hans Raimund führt in seinen Gedichten immer diesem Umkippeffekt vor, an dem sich eine Erfahrung in das Gegenteil verkehrt, eine Liebe Argwohn erweckt, eine Lebensplanung entgleist.

In der Prosa-Sammlung Vexierbilder kommen diese ungeheuren Punkte einer sich selbst jagenden Lebensplanung immer wieder zum Vorschein.

Dabei klingt der Untertitel beruhigend heruntergefahren, die Hochstrasser Hefte sind ein kontinuierlich geführtes Arbeitsjournal, welches der Autor an seinem Fluchtsitz Hochstrass im Burgenland geduldig ausführt.

Im aktuellen Ausriss aus den Hochstrasser Heften geht es um Biographien, die genau so unscheinbar in sich selbst versickern, wie sie zu Tage getreten sind. Im Kapitel "Pastiches" werden aufregende Geschichten kunstvoll kopiert und einem tieferen Sinn  zugeführt. Unter dem Titel "Magazin" purzeln Annotationen, Aphorismen, Naturbeobachtungen und seelische Wetterberichte aus dem Depot und verfugen sich zu einem kompakten Text, der einem Meteoriten ähnlich unter einem gewaltigen Einschlag eine ferne Geschichte erzählt.

Der Dichter als Übersetze und vom Reisen wider Willen heißen die abschließenden Sequenzen, die das literarische Programm von Hans Raimund aus einer jäh aufgerissenen und verwundeten Perspektive erzählen.

Im Konglomerat der Einträge schimmert immer wieder die Lebensgeschichte des Autors durch, der sein Schreiben immer wieder verfeinert, verwirft und mit zaghaftem Selbstbewusstsein irgendwie über die Runden bringt.

So kommt in der Erzählung "Wo ist hier bitte der Ausgang" der langjährige Italienaufenthalt des Autors zur Sprache. Im Text ist eine Figur geduckt vor Triest installiert, fühlt sich lange wohl, solange der Erzähler und eine Frau unter sich sind, doch dann folgt ein abrupter Aufbruch und das ganze Paradies um Duino herum bricht zusammen.

In der Erzählung David entwickelt sich eine Figur durch die Jahrzehnte der Erinnerung. Mitten drin reißt das Gewebe der Erzählung auf und es gibt einen beiseite gesprochenen Kommentar zur Straßenbahn der Fünfziger Jahre. In dieser Erinnerungskammer ist die Kindheit eingeschlossen, beim Erzählen über Plattformen, Straßenbahn, Sitzflächen und Haltestellen tun sich plötzlich die Fünfziger Jahre Österreichs auf, wie in dieser atmosphärischen Dichte sie selten einmal in einem Geschichtsbuch einen Sitzplatz ausgefasst haben.

Hans Raimunds Vexierbilder sind spektakulär stille Ausrisse aus einem riesigen Gedankenwerk voller Belesenheit, Stoff, Lebens-Bescheidenheit und Poesie.

Hans Raimund, Vexierbilder. Prosa. Aus den Hochstrasser Heften.
Salzburg: Otto Müller Verlag 2007. 179 Seiten. EUR 19,-. ISBN 978-3-7013-1132-3.

 

Weiterführende Links:
Otto-Müller-Verlag: Hans Raimund, Vexierbilder
Niederösterreich - Personen-Lexikon: Hans Raimund

 

Helmuth Schönauer, 04-01-2008

Bibliographie

AutorIn

Hans Raimund

Buchtitel

Vexierbilder

Erscheinungsort

Salzburg

Erscheinungsjahr

2007

Verlag

Otto Müller Verlag

Reihe

Aus den Hochstrasser Heften

Seitenzahl

179

Preis in EUR

19,00

ISBN

978-3-7013-1132-3

Kurzbiographie AutorIn

Hans Raimund, geb. 1945 in NÖ, lebt in Wien und Hochstraß/Lockenhaus.