Walter Grond, Der gelbe Diwan

Buch-CoverSeit dem west-östlichen Divan wissen aufmerksame Leser, dass der Diwan nicht nur etwas zum Sitzen, sondern auch eine persische Gedichtsammlung meinen kann.

Walter Grond lässt mit dem gelben Diwan diese Mehrdeutigkeit anklingen, sein Roman handelt von der Abschottung und Verschmelzung von Ost und West, seine Figuren haben ständig mit Literatur zu tun, und der Plot ist ein modisch gelb gestalteter Diwan, auf dem der Hauptheld seinen Roman aussitzt.

Paul Clement ist Journalist und hat gerade einen Ägypten-Auftrag an Land gezogen. Mit seinem neuen Text soll er einerseits die Reisen Gustave Flauberts nach Ägypten im Lichte der Gegenwart neu erzählen und andererseits das Kulturgemenge zwischen Ost und West positiv darstellen. Zu diesem Zweck sitzt Clement wochenlang auf dem gelben Diwan und liest und liest. Aber gerade, als er die Reise antreten will, bringt sich sein ehemaliger Freund, der Schriftsteller Johan um.

Jetzt muss einmal das Begräbnis absolviert werden. Die Begräbnisreise artet in eine Kulturfahrt der Erinnerung aus. Vor gut dreißig Jahren haben der Journalist und der Schriftsteller die Welt auf den Kopf gestellt. Alle privaten Ereignisse waren staatstragend wichtig, und kulturell öffentliche Themen wurden mit einem selbstbewussten Schwung privat erledigt. So gab es neben vielen erotischen Durchreichungen der beteiligten Personen auch jede Menge Thesen, die die Welt verändern sollten.

Mittlerweile ist alles ein wenig kastriert und undynamisch geworden. Der Schriftsteller-Freund hat sich irgendwie logisch umgebracht, Clement selbst ist mit seinen Kindern beschäftigt, seine Freundin mit einer aufregenden Schwangerschaft. Der Diwan ist Sinnbild für ein sesshaftes Leben, aus dem nur noch der Kopf manchmal in die Umgebung ragt.
Am Diwan ist genug Zeit, diverse Thesen zu revidieren und neu zu formulieren.

Während in Ägypten die Korruption vorherrscht und die religiösen Ideen immer verrückter werden, verliert sich Europa im wilden Pragmatismus, unterwirft der Westen alle der Doktrin der Geldvermehrung und der Islam wiederum alle dem alleinigen Gott. (246)

Wer so sinniert, braucht eigentlich gar nicht mehr nach Ägypten zu fahren. Und tatsächlich findet die Reise durch die Kulturen nur auf dem Diwan statt. Während Clement noch einmal alle Philosophen, Literaten und Künstler, die ihn als wilden jungen Mann beeindruckt haben, durch den Kopf gehen lässt, nimmt die trivial angelegte Familie Überhand. Der Diwan wird zum Refugium, Tabernakel und Feuerstuhl für letzte Gedanken.

Walter Gronds Roman erzählt vom allmählichen Absterben wilder Ideen, während die Helden altern. Und abgestorbene Gedankengänge lassen sich nur mit Melancholie aushalten, weshalb sich sinnigerweise ein paar Protagonisten im Roman umbringen. So gesehen kann ein Diwan auch ein letzter Rettungsring gegen den unaufhaltsamen Sog des Lebensstroms sein.

Walter Grond, Der gelbe Diwan. Roman.
Innsbruck: Haymon 2009. 320 Seiten. EUR 19,90. ISBN 978-3-85218-596-5.

 

Helmuth Schönauer, 24-01-2010

Bibliographie

AutorIn

Walter Grond

Buchtitel

Der gelbe Diwan

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2009

Verlag

Haymon

Seitenzahl

320

Preis in EUR

19,90

ISBN

978-3-85218-596-5

Kurzbiographie AutorIn

Walter Grond, geb. 1957, lebt in Aggsbach.