Georg Payr, Das ewig Päpstliche zieht uns hinan

Buch-Cover

Manchmal explodiert in einem gut gewählten Titel bereits eine Leselust, dass man gar nicht anders kann, als hinzustarren, hineinzulesen und sich auf der Stelle durch Lektüre notzubefriedigen.

Georg Payr erzählt von diesem unheimlich "Päpstlichen", das uns offensichtlich hinan und wohl auch in die Tiefe zieht.

"Eine Wallfahrt nach Wigratzbad" heißt eine Kirchen-ironische Wahnsinnsgeschichte, worin zwei skurrile Typen, eine Art Mesner und ein potentieller Papst, einen Motorradausflug als Wallfahrt anlegen. Sie reden natürlich viel Unfug oder päpstliches Zeug, was auf das Gleiche hinauskommt.

Sie haben recht. Auch wenn der Papst schon alt ist und drauf und dran, inkontinent zu werden, haben Sie recht. (57)

Die Errichtung eines Wallfahrtsortes nach Marketing-strategischen Kriterien scheitert an der generellen Inkontinenz der Betreiber, aber auch die Kritiker richten nicht allzu viel aus, ihre Gespräche werden von einer Kellnerin weggewischt wie die Brösel, die ein geistig verloren gegangener Hofrat zum Frühstück verbröselt hat.

Das Verhältnis zwischen staatstragendem Ton und diffusem Inhalt steht auch im Mittelpunkt der Eingangserzählung, in der es um nicht mehr und nicht weniger als um die "Gesprächskultur" geht. In einer Gesprächswurst zwischen Erkenntnis und semantischem Klärwerk, greifen die Versatzstücke für ein ungezwungenes und unverbindliches Gespräch ineinander über, wobei das überraschende Umschwenken eines Themas oft die einzige Aussage ist. So etwa könnte ein lebenslängliches Gespräch bei einem Friseur ablaufen.

Aber auch die kleineren Erzählungen, die den wuchtigen Eingangstexten über Gesprächskultur und Nonsens-Papsttum folgen, strotzen nur so von aberwitzigen Handlungsverläufen.

Ein Kind beispielsweise entdeckt die eigene Stadt mit Hilfe der Kurbel einer Kaffeemühle. Diese stellt die Kurbel für eine Tram dar, mit der das Kind durch reale und irreale Gassen der furzig aufgeblähten Alpenstadt fährt. Die Passagiere benehmen sich dabei ungustiös und verbal grob wie die echten Bewohner, unter denen der spätere Erwachsene immer noch leiden muss.

Andererseits gehen nicht nur die sogenannten Einheimischen an der Stadt zu Grunde, auch Touristen, Studenten oder "Zuagroaste" wie der Engländer nach dem ersten Weltkrieg, krepieren würgend an diesem in jeder Hinsicht verzockten Gebilde am Fuße der Nordkette. Am sogenannten Engländergrab, einer Aussichtsplattform über einem Stück Wald, soll seinerzeit der Engländer an vergiftetem Fleischkäs, der Nationalspeise der Stadt, zugrunde gegangen sein. Engländer und Fleischkäs wurden angeblich gemeinsam bestattet, aber nur der Engländer hat dem Gedächtnis seinen Namen gestiftet.

Georg Payrs auf den ersten Blick unauffällig gehaltenen Einträge in eine glatte Matrize des harmlosen Zusammenlebens, explodieren in jedem Absatz. Das Gewöhnliche bricht aus sich selbst aus und verschlingt sich satzweise, der Wahnsinn rückt mit Textarmen aus und zerdrückt alle Floskeln, mit denen bürgerliche Würdenträger eine Fassade der Kommunikation aufrecht halten wollen. Georg Payrs Erzählungen sind Fallbeispiele für eine Kultur, in der letztlich jeder Schrott und jegliche Füllmasse unbarmherzig auf die Seite gepflügt werden. Und witzig sind die Geschichten obendrein!

Georg Payr, Das ewig Päpstliche zieht uns hinan. Erzählungen
Innsbruck: Kyrene 2010. 148 Seiten. EUR 18,50. ISBN 978-3-900009-68-7

 

Helmuth Schönauer, 04-04-2010

Bibliographie

AutorIn

Georg Payr

Buchtitel

Das ewig Päpstliche zieht uns hinan

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2010

Verlag

Kyrene

Seitenzahl

148

Preis in EUR

18,50

ISBN

978-3-900009-68-7

Kurzbiographie AutorIn

Georg Payr, geb. 1956 in Innsbruck, lebt in Innsbruck.