Carolina Schutti, Wer getragen wird braucht keine Schuhe

Buch-CoverDie wahren Geschichte spielen sich meist jenseits der Google-Welt ab, nur in kurzen Schimmern tauchen dabei die Helden auf und verlöschen in sich selbst.

Eine stille Geschichte, die nicht nur unter die Haut geht sondern quasi unter der Haut spielt, hat Carolina Schutti in einem konzentrierten Roman aufbereitet.

Da tastet sich Anna immer unauffällig durchs Leben. Manchmal fügt sie sich Schnittverletzungen zu, vielleicht um sich zu spüren oder zumindest um dem Blut ein Augenmerk von außen zu schenken. Sie wird von Alpträumen heimgesucht und gleichzeitig von der Sehnsucht, getragen zu werden.

Träume lassen sich nicht befehlen. Manche kommen hartnäckig wieder und obwohl sie sie kennt, schreckt sie jedes Mal schweißgebadet auf. Und manche wünscht sie sich herbei und wartet Nacht für Nacht vergeblich. (36)

Da taucht still und heftig Harald auf, der offensichtlich schon einige Frauengeschichten hinter sich gebracht hat, zumindest deutet seine Fotoschachtel mit verblichenen Porträts darauf hin. Doch auch der professionelle Frauenheld hat eine sehr subtile Seele und lässt sich an Bruch-Stellen über das Leben tragen, wie er es bisher selbst als erfahrener Bergsteiger noch nie erlebt hat.

Während einer Wanderung erzählt Anna ihr Geheimnis, dass sie sich am Tod ihrer Schwester schuldig fühlt. Harald weiß nicht genau, was er davon halten soll, ist es nur eingebildete Schuld oder doch ein unglückliches Verhängnis.

Anna freilich kommt auch in der Liebe nicht zurecht mit dem Glück, sie stürzt sich aus dem Fenster, vielleicht weil sie etwas Engelhaftes an sich hat. Der Geliebte kümmert sich um die Verunfallte, besucht sie im Krankenhaus, aber sie ist schon nicht mehr von dieser Welt.

Was uns retten kann, ist die Liebe, hat Harald einmal gesagt. Den Zusammenhang weiß ich nicht mehr. (117)

Anna kriegt zwar die Liebe auf die Reihe, aber nicht ihren Zusammenhang mit der Welt. So hat das Glück nichts mehr mit der Welt zu tun, die Schuhe sind abgestreift und die Bodenhaftung ist verlorengegangen. Auch so erklärt sich der Satz, wer getragen wird, braucht keine Schuhe.

Carolina Schuttis Roman ist still und asketisch, und gerade deshalb voller Leidenschaft. Wir Leser stehen um die Heldin Anna herum, haben sie lieben gelernt, können ihr aber nicht helfen, denn gegen Annas Krankheit hilft keine Logik, da hilft nur die Literatur.

Carolina Schutti, Wer getragen wird braucht keine Schuhe. Roman.
Salzburg: Otto Müller 2010, 117 Seiten. EUR 17,-. ISBN 978-3-7013-1178-1.

 

Helmuth Schönauer, 13-10-2010

Bibliographie

AutorIn

Carolina Schutti

Buchtitel

Wer getragen wird braucht keine Schuhe

Erscheinungsort

Salzburg

Erscheinungsjahr

2010

Verlag

Otto Müller

Seitenzahl

117

Preis in EUR

17,00

ISBN

978-3-7013-1178-1

Kurzbiographie AutorIn

Carolina Schutti, geb. 1976 in Innsbruck, lebt in Innsbruck.