Andrei Mihailescu, Guter Mann im Mittelfeld

Titelbild: Andrei Mihailescu, Guter Mann im MittelfeldEine gutgemeinte Einschätzung eines Lebensstils kann letztlich einen schlechten Beigeschmack bekommen, wenn sie wörtlich genommen wird. Der gute Mann im Mittelfeld, der vielleicht als Fußballspieler ein Match drehen und gewinnen kann, wird im politischen Ambiente zur grauen Maus, die nichts anderes im Sinn hat, als zu überleben.

Andrei Mihailescu versucht die Schrecken der Ceausescu-Ära erträglich zu machen, indem er in Form eines Bildungsromans von einem Helden berichtet, der alles überlebt, weil er sich die passende Geschichte dazu erzählt. Dadurch gerät der Leser in einen seltsamen Empfindungsstress. Einerseits muss er die Ungerechtigkeit der rumänischen Diktatur ächten und die Menschenrechte aus dem Gefühlsfundus auspacken, andererseits bewundert er den heldenhaften Mitläufer, der als Überlebenskünstler dem Polizeistaat beinahe poetische Züge abgewinnt.

Stefan ist Journalist und kommt mit seinen Geschichten unauffällig durchs Leben. Im Büro sitzt ein Securitate-Mann, der fallweise korrigiert und sagt, wo es lang geht. In der gleichen Stadt reüssiert Raluca als Architektin, ihr steht der eigene Mann zur Seite, der als Politfunktionär die gesellschaftlichen Hosen anhat. Auch eine brutale Gesellschaft könnte so gut funktionieren, wenn nicht diese Kleinigkeiten wären. Denn letztlich geht es nie um Logik, sondern um Macht. (51)

Stefan lässt Leerbriefe verschwinden, um sich selbst ungute Geschichten zu ersparen und andererseits die aufmüpfigen Leserbriefschreiber zu schützen. Auf der Baustelle von Raluca hingegen verschwinden Baumaterialien und das zehrt an der Bau-Ehre der Architektin. Als sich die beiden Rächer der System-Enterbten zusammentun, braut sich Ungemach zusammen.

Der Politfunktionär fühlt sich von seiner Frau gehörnt und lässt die Parteimuskeln spielen. Stefan kriegt es mit der Securitate zu tun und fasst für das Karpaten-Gefängnis sieben Jahre aus. Er baut sich ein naives Konzept vom Pech zusammen und glaubt tatsächlich, dass er einfach unglücklich zu Fall gekommen sei, dabei hat das System extra um ihn herum einen eigenen Fall aufgebaut. (274)

Nach seiner vorzeitigen Entlassung wäre die Liebe dran, aber er kann mit seiner Geliebten Raluca nichts mehr anfangen, obwohl er gerade ein frisches Kind von ihr hat. Vom System gebrochen geht er zurück ins Mittelfeld, das heißt, er arbeitet als kleiner Gewerkschafter in den Karpaten, wo die Kleinaussteiger vom Regime geduldet werden. Raluca bricht mit ihm, denn auch in der Liebe gibt es nur ganze Sachen und ein bisschen Mittelfeld ist zu wenig.

Wenn man sieht, wie sich die Heldinnen und Helden durch die verminten Felder der Liebe und Politik kämpfen, ist man versucht, Arnold Schönberg zu zitieren und den Bildungsroman positiv abzunicken. „Der einzige Weg, der nicht nach Rom führt, ist der Mittelweg!“

Andrei Mihailescu, Guter Mann im Mittelfeld. Roman
München: Nagel & Kimche Verlag 2015, 345 Seiten, 23,60 €, ISBN 978-3-312-00669-4


Weiterführende Links:
Nagel & Kimche Verlag: Andrei Mihailescu, Guter Mann im Mittelfeld
Homepage: Andrei Mihailescu

 

Helmuth Schönauer, 12-12-2016

Bibliographie

AutorIn

Andrei Mihailescu

Buchtitel

Guter Mann im Mittelfeld

Erscheinungsort

München

Erscheinungsjahr

2015

Verlag

Nagel & Kimche Verlag

Seitenzahl

345

Preis in EUR

23,60

ISBN

978-3-312-00669-4

Kurzbiographie AutorIn

Andrei Mihailescu, geb. 1965 in Bukarest, lebt in Zürich.