Ferdinand Sauter, Durchgefühlt und ausgesagt

ferdinand sauter, durchgefühlt und ausgesagtDie Literaturwissenschaft hat neben dem Hauptzweck, das eigene Personal hermetisch abgeschlossen gegenüber der Welt zu halten und darin Karrieren zu ermöglichen, auch einen Nebenzweck für das gemeine Volk, nämlich Texte aus vergangenen Epochen so aufzubereiten, dass sie die Wissens-entwöhnte Krimi-Dauerleserschaft der Gegenwart auch verstehen könnte.

Ludwig Laher verwendet für dieses Unterfangen den schönen Begriff „besorgt“. Damit besorgt er es einmal den Flachlesern, andererseits drückt es seine Besorgnis aus, ob sein Thema wohl auch nicht verschollen bleibt. Sein Thema ist der Schriftsteller Ferdinand Sauter, der, 1804 in Werfen geboren, zum fünfzigsten Geburtstag an der Cholera in Hernals gestorben ist. Zu Lebzeiten ist kein Buch von ihm erschienen, seine Gedichte sind dann freilich lieblos bis schlampig immer wieder ediert worden, manchmal hat man sogar den Reim zerlegt, um sich einen jeweils zeitgenössischen Reim machen zu können.

Der Erkärungsaufwand Ludwig Lahers ist beinahe so umfangreich wie das ausgewählte Werk. Während der „Besorger“ bislang in mehreren Romanen Künstlerkarrieren fiktional betreut hat, wird bei Ferdinand Sauter dessen Werk handfest für die Gegenwart aufgearbeitet.

Dazu gibt es so etwas wie einen didaktischen Dreischritt: Im ersten Teil kommt die persönliche Erregung beim Erstkontakt mit Sauter zum Zuge, ein sogenanntes Stiasny-Bändchen aus den 1950er Jahren erweckt Neugierde. Im zweiten Schritt werden die bisherigen Herausgeber und Verstümmler zerlegt, indem man in ihren Biographien ablesen kann, welchen Nutzen sie jeweils aus der fahrlässigen Edition gezogen haben. Im dritten Schritt werden wesentliche Gedichte Sauters auf die Überlebenskraft in der Gegenwart ausgetestet. Denn eines sollte man im Auge behalten, diese Biedermeier-Art des Reimens ist für den Alltagsgebrauch vielleicht neben dem Smartphone liegend völlig ungeeignet.

Ludwig Laher erzählt mit dieser Edition ein Stück österreichischer Gegenwartsliteratur, die sich oft gegen die deutsche Vereinnahmung, meist aber gegen den hausgemachten Schwachsinn im Lande zur Wehr setzen muss. In der Biographie ist die Idee verborgen, dass man anhand von herausragenden Künstlern die Lebensstimmung von Zeitgenossen rekonstruieren könnte. Und die Haupterkenntnis ist ein Dank an diese große literarische Umwälzpumpe, die ständig in Bewegung sein muss, um auch genügend intellektuelle Wärme von einem wissenschaftlichen Zentrum aus in die Peripherien des Denkens zu pumpen.

Vom „umgewälzten“ Autor Ferdinand Sauter könnte man sich als schlichter Mensch in der Provinz merken: 1. Sein Gedicht „Meine Grabinschrift“, das mit dem schönen Vers endet:

Deshalb Wandrer zieh doch weiter, / Denn Verwesung stimmt nicht heiter (99)

2. Seine elegische Frage „Was uns bleibt“. Darin wird über die Metternichsche Alltagsstimmung hinaus schier Unsterbliches zitiert. Uns bleiben: Ein Blatt, Geduld und treues Hundeleder, sowie die Tugenden Entsagen und Vergessen. (33/34). Und 3. das titellose „Amtsgedicht“ als ein Haltegriff für alle, die längere Zeit ein Büro aushalten müssen:

Bald naht die Stunde der Befreiung / Und die Qual der Hierseiung, / Kurz ist das Leben / Und ach so lang die Kanzleiung.- (23)

Ferdinand Sauter, Durchgefühlt und ausgesagt. Ausgewählte Werke, eine erste quellenkritische Auswahl seiner Dichtungen, Besorgt und mit einem begleitenden Essay versehen von Ludwig Laher
Göttingen: Wallstein Verlag 2017, 224 Seiten, 19,50 €, ISBN 978-3-8353-3104-4

 

Weiterführende Links:
Wallstein Verlag: Ferdinand Sauter, Durchgefühlt und ausgesagt
Wikipedia: Ferdinand Sauter

 

Helmuth Schönauer, 08-11-2017

Bibliographie

AutorIn

Ferdinand Sauter

Buchtitel

Durchgefühlt und ausgesagt. Ausgewählte Werke, eine erste quellenkritische Auswahl seiner Dichtungen

Erscheinungsort

Göttingen

Erscheinungsjahr

2017

Verlag

Wallstein Verlag

Seitenzahl

224

Preis in EUR

19,50

ISBN

978-3-8353-3104-4

Kurzbiographie AutorIn

Ferdinand Sauter, geb. 1804 in Werfen, starb 1854 in Hernals.

Ludwig Laher geb. 1955 in Linz, lebt in St. Pantaleon und Wien.