Heinz D. Heisl, Wir haben leider Diebe im Haus

heinz d. heisl, wir haben leider diebe im HausDer gute Ton kann aus einer unangenehmen Situation etwas Verschmitzt-Leichtes machen und so alles zur Zufriedenheit auflösen. Wenn beispielsweise in einer Wohnanlage ständig die Zeitung geklaut wird, ist es ein lieblicher Klärungs-Versuch, wenn jemand an den Zeitungsausträger mit einem Pin-Up schreibt: „Wir haben leider Diebe im Haus.“

Heinz D. Heisl ist als Musiker und Poet ein Meister des guten Tons. In beiden Sparten geht es letztlich um die Atmosphäre, die in der Musik vielleicht kollektiv entsteht, in der Poesie oft ganz einsam im Wechselspiel zwischen Akteur und Situation. So wird die Dichtung letztlich etwas recht Einsames, worüber nur der Autor die letzte Auskunft geben kann.

Heinz D. Heisl versucht mit seinen Gedichten, diesen Funken der poetischen Realisierung auf die Leserschaft überspringen zu lassen. Zu diesem Zweck sind seine Gedichte streng dreigeteilt. In der obersten Leiste läuft das literaturwissenschaftliche Hofzeremoniell ab. Die Gedichte sind auf seltsame Urheber-Art katalogisiert. „Ich weiß nicht, von wem das ist: Es könnte von mir sein“, und dann kommen die Nummerierung minus eins bis neunundneunzig und die Aussicht, dass auch noch was anderes vom Autor sein könnte. Mit diesem Scherz nimmt der Autor zwar von seinem eigenen Gedicht Besitz, er teilt diesen aber sofort mit den Lesern mit dem Unterton, wenn du glaubst, dass du auch schon einmal so gedacht hast, nimm es.

In der unteren Laufleiste sind nach bewährter Gerald-Bisinger-Manier Ort und Zeit der Entstehung des Gedichtes angeführt. Dabei soll das Mehrdeutige des Gedichtes wenigstens für einen kurzen Augenblick eindeutig gemacht sein. Aber die Orte, Cafés und Schreiblagen sind durchaus als eigene Komposition zu lesen. Mit dem Ort des Entstehens, soll auch die Phantasie des Lesers angekurbelt werden, was ja bei der Magie der Orte fast von selbst funktioniert. New York, Innsbruck, Stuttgart, Kalifornien, Dublin oder Chiemsee/Übersee bilden so eine einzigartige Route, die mit dem poetischen Navi angesteuert werden kann.

Die „Kerntexte“ selbst haben meist an die zehn Zeilen, sind hinten offen wie echte Gedichte, und bestechen durch die Kapitalschrift, in der vor allem Substantive gesetzt sind, damit man nicht lange nach Schlüsselwörtern suchen muss.

„die FEUCHTE ZUNGE klopft / ans FENSTER des IRREN:::HAUS der MELDUNGEN / ist OHNE Masterplan / man REIBT das GESTERN an der / HAUT von MORGEN eine KATZE / schleicht im HINTERHOF der / FESCHAK liebt den / KNOCHEN:::HIMMEL einmal / noch am SIEDEPUNKT einmal / (noch) DURCH & DURCH dabei sein“ (81)

Dieses 72ste Gedicht der Möglichkeits-Urheberschaft spielt in New York, oder ist zumindest dort einmal aufgeführt worden. Die Gedichte Heinz D. Heisls lassen sich immer auch als Musikstück und Artefakt für die Galerie inszenieren. Die Vermischung der Sinneseindrücke zieht sich durch alle Installationen, dabei werden die Wortteile auseinandergerissen und neuen Sinnfeldern zugespielt, im Wechsel von wichtigen und nicht so wichtigen Wörtern ergibt sich außerdem ein Seh-Rhythmus, der durchaus den Beat hat. Am Beispiel eines Mundes, der täglich durch Erotik, Sprache, Speise und Wortbildung aufs Neue herausgefordert wird, lässt sich erahnen, wie mannigfaltig diese „Spielereien mit Tiefgang“ angelegt sind.

Wir haben leider Diebe im Haus ist eine Einladung, wachsam zu sein, für die Sprache, die Poesie, die emotionalen Tageskurven. Und das Augenzwinkern lässt diese Texte zwischendurch sogar aufflattern, leicht und geräuschlos.

Heinz D. Heisl, Wir haben leider Diebe im Haus. Gedichte
Innsbruck: Limbus Verlag 2018, 108 Seiten, 15,00 €, ISBN 978-3-99039-125-9

 

Weiteführende Links:
Limbus Verlag: Heinz D. Heisl, Wir haben leider Diebe im Haus
Wikipedia: Heinz D. Heisl

 

Helmuth Schönauer, 14-07-2018

Bibliographie

AutorIn

Heinz D. Heisl

Buchtitel

Wir haben leider Diebe im Haus. Gedichte

Erscheinungsort

Innsbruck

Erscheinungsjahr

2018

Verlag

Limbus Verlag

Seitenzahl

108

Preis in EUR

15,00

ISBN

978-3-99039-125-9

Kurzbiographie AutorIn

Heinz D. Heisl, geb. 1952 in Innsbruck, lebt in Wien.