LESETECHNIK als Voraussetzung für flüssiges und sinnverstehendes Lesen
Die frühzeitige Identifikation des Leselernstandes von Schülerinnen und Schülern durch die Klassenlehrperson ist zentral für die individuelle Verbesserung der Leseleistungen jedes einzelnen Kindes. Gerade für Schülerinnen und Schüler, die das Lesen von Beginn an vor eine Herausforderung stellt, ist eine ehestmögliche und zielgerichtete Förderung hinsichtlich der Leseleistungen über die gesamte Schullaufbahn hinweg unabdingbar. Förderdiagnostik dazu sollte bereits in der Mitte der 1. Schulstufe ansetzen (Handreichung des BMUKK: Der schulische Umgang mit der Lese-Rechtschreib-Schwäche, 2019).
Als eine von Beginn des Erstleseunterrichts bedeutsame Komponente hat sich eine systematische Instruktion in die Buchstabe-Laut-Beziehungen als besonders wirksam erwiesen – Befunde zeigen, dass dies den Kindern das Lesenlernen gerade zu Beginn deutlich erleichtert (Klicpera et al., 2007). Da die Variabilität der Leseleitung innerhalb einer Klasse sehr hoch ist – Landerl und Wimmer (2008) berichteten für eine Zufallsstichprobe von 115 Erstklasslern am Ende des Schuljahres von nur 19 Silben pro Minute bis zu 175 Silben pro Minute – ist die Herausforderung im Erstleseunterricht, dieser großen Bandbreite durch personalisierte Lernangebote gerecht zu werden. Gerade bis Mitte der 2. Klasse sollte ein zentrales Augenmerk auf die Lesetechnik, als Voraussetzung für flüssiges und sinnerfassendes Lesen gelegt werden; ein Fokus auf die Lesegeschwindigkeit wird für die 2. Hälfte der 2. Klasse und auch für die 3. Klasse empfohlen (Klicpera et al., 2007).
Eine zentrale Komponente der Lesetechnik ist, neben den bereits erwähnten automatisierten Buchstabe-Laut-Beziehungen, das genaue und sichere Zusammenlauten von Buchstabenfolgen (Lautsynthese). Im Idealfall wird dies, wie übrigens auch die Lautanalyse als Voraussetzung für das lauttreue Schreiben, über unbekanntes Wortmaterial (Pseudowörter) trainiert und überprüft, da bekannte Wörter, vor allem bei Kindern mit einer Stärke im visuellen Bereich, zum Teil als Wortbilder abgespeichert sind. Tägliche Leseübungen mit in der Schwierigkeit ansteigenden Pseudowortlisten oder alternativ mit Buchstabenwürfeln sind hierfür zielführend und können von Beginn des Erstleseunterrichts eingesetzt werden. Auch bei älteren Schülerinnen und Schülern, die Schwierigkeiten im Bereich der Lesegenauigkeit zeigen, ist es sinnvoll diese nochmals explizit zu trainieren. Ohne ausreichende Lesegenauigkeit und in weiterer Folge Leseflüssigkeit ist das sinnerfassende Lesen aufgrund mangelhafter Lesetechnik beeinträchtigt – dies stellt über die gesamte Schullaufbahn eine Barriere für Schülerinnen und Schüler dar, die sie nicht nur im Fach Deutsch am erfolgreichen Lernen hindert.
Sabine Lang
Literatur:
BMBWF – Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (Hrsg.) (2019). Der schulische Umgang mit der Lese- Rechtschreib-Schwäche. Eine Handreichung. Wien. https://www.schulpsychologie.at/fileadmin/upload/lernen_leistung/Legasthenie/LRS_Handreichung.pdf (Zugriff am 26.07.2021)
Klicpera, C., Schabmann, A. & Gasteiger-Klicpera, B. (2007). Legasthenie. Modelle, Diagnose, Therapie und Förderung. München: Ernst Reinhardt Verlag.
Landerl, K. & Wimmer, H. (2008). Development of word reading fluency and orthographic spelling in a conistent orthography: An 8-year follow-up. Journal of Educational Psychology, 100, 150-161.