Helen Pluckrose / James Lindsay, Zynische Theorien

helen pluckrose, zynische theorien„Zynische Theorien erklärt, wie die Theorie zur treibenden Kraft im kulturellen Krieg der späten Zehnerjahre unseres Jahrtausends avancierte – und schlägt zugleich eine liberale philosophische Alternative vor, um dieser Denkströmung in Wissenschaft, Aktivismus und Alltag zu begegnen. Das Buch zeichnet nach, wie sich die einzelnen Zweige einer zynischen postmodernen Theorie in den letzten fünfzig Jahren herausbildeten, und zeigt […] den Einfluss der Theorie auf unsere heutige Gesellschaft auf.“ (S. 14)

Seit den 2010-er Jahren ist es der „Woke-Bewegung“ und der „Identitätspolitik“ bemerkbar gelungen, aus der ursprünglich universitären Umgebung in die breite Gesellschaft auszugreifen und sozialpolitischen Einfluss auszuüben.

Mit „Theorie“ bezeichnen Pluckrose und Lindsay die seit den späten 60-iger Jahren und von Philosophen wie Michel Foucault, Gilles Deleuze, Jean-François Lyotard und Jacques Derrida ausgehende philosophische Entwicklung von Postmodernismus und Dekonstruktivismus. In den 90-iger Jahren vollzieht sich die philosophische Bewegung zu einem angewandten Postmodernismus mit dem Ziel, die Unterdrückung von gesellschaftlichen Randgruppen aufzudecken und schließlich gezielt politische Veränderungen einzufordern.

Im Zentrum der Analyse des Postmodernismus und der später von ihr abgeleiteter Theorien und Anwendungsaktivitäten steht das postmoderne Wissensprinzip, mit seinem radikalen Skeptizismus „gegenüber objektivem Wissen oder objektiver Wahrheit und das Bekenntnis zum kulturellen Konstruktivismus. Dazu kommt das politische Prinzip des Postmodernismus, das besagt, dass die Gesellschaft auf Machtsystemen und Hierarchien basiert, denen die Macht zukommt, zu entscheiden, was als Wissen und Wahrheit gilt und wie es das tut.

Dabei werden vier zentrale Themen des Postmodernismus aufgezeigt. Dazu gehört das Verwischen von Grenzen und klaren Begriffen, das Postulat von der Macht der Sprache, ein Kulturrelativismus, der besagt, dass Wissen und Wahrheit von der jeweiligen Kultur abhängen und zuletzt die Ablehnung und Ersetzung von Begriffen des „Universalen“ und des „Individuellen“ durch Begriffe von „Gruppenidentitäten“.

Von dieser theoretischen Grundlage ausgehend werden in zehn Kapiteln die verschiedenen Ausformungen des Postmodernismus und der daraus hervorgehenden Anwendungen und Erscheinungen vorgestellt. Kritisch analysiert werden dabei die „Postkoloniale Theorie“, die „Queer-Theorie“, die „Critical-Race-Theorie und Intersektionalität“, „Feminismen und Gender Studies“, „Disability Studies und Fat Studies“, „Social Justice und das Denken“ sowie „Social Justice in Action“. Am Ende wird im Kapitel „Eine Alternative zur Social-Justice-Ideologie“ der Liberalismus und die liberale Gesellschaft und Wissenschaft als Lösungsmodell angeboten, das sich mit den Methoden einer reformierten Social-Justice-Forschung verbinden lässt.

Helen Pluckrose und James Lindsay gelingt es in ihrem fundierten Sachbuch komplexe theoretische Grundlagen und Entwicklungen im Bereich der postmodernen Philosophie und ihren Weiterentwicklungen analytische aufzuzeigen und verständlich zu erklären. Dabei werden oft merkwürdig erscheinende Forderungen und Positionen des gegenwärtigen politischen Aktivismus nachvollziehbar, erklärbar aber auch kritisierbar

Ein ebenso spannend zu lesendes wie informatives Sachbuch, das komplexe theoretische Positionen detailliert herausarbeitet und auch für Leserinnen und Lesern begreifbar macht, die sich mit den Themen Race-, Gender- und Identitätstheorie bisher wenig beschäftigt haben.

Helen Pluckrose / James Lindsay, Zynische Theorien. Wie aktivistische Wissenschaft Race, Gender und Identität über alles stellt - und warum das niemandem nützt, übers. v. Sabine Reinhardus / Helmut Dierlamm [Orig. Titel: Cynical Theories: How Activist Scholarship Made Everything About Race, Gender, and Identity—and Why This Harms Everybody]
München: C.H. Beck Verlag 2022, 380 Seiten, 22,70 €, ISBN 978-3-406-78138-4

 

Weiterführende Links:
C.H. Beck Verlag: Helen Pluckrose / James Lindsay, Zynische Theorien
Wikipedia: Helen Pluckrose
Wikipedia: James Lindsay

 

Andreas Markt-Huter, 19-07-2022

Bibliographie

AutorIn

Helen Pluckrose / James Lindsay

Buchtitel

Zynische Theorien. Wie aktivistische Wissenschaft Race, Gender und Identität über alles stellt - und warum das niemandem nütz

Originaltitel

Cynical Theories: How Activist Scholarship Made Everything About Race, Gender, and Identity—and Why This Harms Everybody

Erscheinungsort

München

Erscheinungsjahr

2022

Verlag

C. H. Beck Verlag

Übersetzung

Sabine Reinhardus / Helmut Dierlamm

Seitenzahl

380

Preis in EUR

22,70

ISBN

978-3-406-78138-4

Kurzbiographie AutorIn

Helen Pluckrose studierte englische Literatur an der Universität von East London und an der Queen Mary University in London. Die britische Autorin ist für ihre Kritik an der „Sical Justice Bewegung“ und für die Förderung liberaler Ethik bekannt.

James Lindsay studierte Mathematik an der Technischen Universität von Tennessee. Der amerikanische Mathematiker, Autor und Kulturkritiker gilt als vehementer Kritiker der sogenannten „Woke Kultur“.