„Ritter und Abenteurer – kein Platz für Heldinnen“ - Über Geschlechterstereotype von Protagonistinnen in Kinderbüchern

ritterKulturelle Botschaften, wie Geschlechterstereotype oder Geschlechterrollen, werden in Kinderbüchern dargestellt und vermittelt und können junge Leser*innen in ihrem Verständnis vom Geschlecht beeinflussen.

Internationale Studien haben eine unverhältnismäßige Verteilung der Geschlechter, sowie geschlechterspezifische Differenzen in den Eigenschaften, Aktivitäten und Darstellungen von Protagonistinnen und Protagonisten aufgezeigt.

Kinderbücher dienen nicht nur der Wissensvermittlung, sondern sie sind eines der wichtigsten Medien, um Kindern gesellschaftliche Werte und Normen zu vermitteln. Sie spiegeln die Alltagswelt wider und selbst in utopischen Werken können Kinder erfahren, was Liebe, Freundschaft und Moral bedeuten, wie harmonisches Zusammenleben funktionieren kann, welche Handlungsweisen und Haltungen in der „echten“ Welt geschätzt und erwartet werden. Kinderbücher tragen zum Kulturalisierungsprozess von jungen Leserinnen und Lesern bei und vermitteln – wie auch andere Medien – Geschlechterrollen (Burghardt & Klenk, 2016, S. 61).

Von klein an hören und sehen Kinder, wie sich Jungen oder Mädchen verhalten sollen, welche Kleidung sie tragen, welche Farben sie bevorzugen und welche Berufe sie erlernen sollen. Diese Geschlechterstereotype können auch in Kinderbüchern fast überall gefunden werden: Von der Prinzessin Lillifee, deren Äußeres im Mittelpunkt steht und die stets bemüht ist anderen in ihrer Feenwelt zu helfen bis hin zur Protagonistin Conni, die, während ihr Vater bei der Arbeit ist, ihre Mutter tatkräftig im Haushalt unterstützt. Wenn Kinder solche Bücher lesen, werden ihnen bestimmte Vorstellungen davon, wie man sich vor dem Hintergrund seines Geschlechtes zu verhalten hat, vermittelt.

Aus den beiden genannten Beispielen kann herausgelesen werden, dass für Mädchen vorausgesetzt wird, dass sie sich um ihr Äußeres kümmern, ihren Mitmenschen helfen und die Arbeit im Haushalt übernehmen. Kinderbücher sollen den Kindern Orientierung geben und die Möglichkeit, sich mit den Protagonistinnen und Protagonisten zu identifizieren, denn Rollenvorbilder mit dem gleichen Geschlecht können das Selbstbewusstsein der Kinder stärken und zur Identitätsbildung beitragen (Burghardt & Klenk, 2016, S. 63). Wird die Erlebniswelt der Hauptfiguren stark von ihrem Geschlecht abhängig gemacht, so kann dies einschränkend auf die Erlebnisse und Erfahrungen der Protagonistinnen und Protagonisten im Buch wirken und auf die Vorstellung eines Kindes in der realen Welt.

Damit sich Kinder uneingeschränkt und frei nach ihren eigenen Interessen entwickeln können ist es wichtig, dass sie bereits im frühen Alter in Berührung mit Büchern kommen, in denen es die unterschiedlichsten Heldinnen und Helden gibt. Eine Schulbibliothek sollte diese Erwartungen erfüllen können, denn „jedes Kind sollte unabhängig von seinem Geschlecht eine breite Palette von Identifikationsmöglichkeiten finden, die es ihm ermöglichen, sein Potenzial bestmöglich zu entfalten und ohne Barrieren eine eigene Lebensweise zu wählen“ (Stohnushko, 2019, S. 89).

Literatur

Burghardt, L. & Klenk, F. (2016). Gemachte Verhältnisse: Forschungsperspektiven auf Kindheit, Jugend und Geschlecht. Gender, 8 (3), 61–80.

Stohnushko, P. (2019). Früh übt sich...: Geschlechtersozialisation durch Kinderliteratur. In K. Bürkert & M. Möller (Hrsg.), Arbeit ist Arbeit ist Arbeit ist … gesammelt, bewahrt und neu betrachtet (S.85-92). Tübingen: Tübinger Vereinigung für Volkskunde.

 

Text zur Verfügung gestellt von: Hanna Mühlhans, BEd (Masterarbeit „Ritter und Abenteurer – kein Platz für Heldinnen“)

Lesen