Helmuth Schönauer, Afterschock Schwere HTML-Gedichte

Ein Gedichtband wie geschaffen für das Internet. Da wechselt das lyrische Ich wie ein Surfer in den Wellen des Internets von einem Thema und von einem Ort zum nächsten, um schließlich ganz unverhofft mit neuer Maske wieder zurück zu kehren. Da heißt es anschnallen und festhalten.

Allen LeserInnen die es genau wissen wollen erhalten in einem Notglossar eine ultimative Verständnishilfe für die wichtigsten lyrischen Begriffe: ?Afterschock, das Nachbeben das naturgemäß mehr Entsetzen auslöst als das Erstbeben, zwar ist der Innovationswert geringer, dafür aber der Schock umso größer.? oder ?Lyrisches Ich: Entsteht bei der germanistischen Spaltung eines Schizoids, flüchtet oft in ein Gedicht und benimmt sich darin unberechenbar.?

Bewaffnet mit diesen gewichtigen Sprachtools begleiten die Leser das lyrische Ich auf Liebesabenteuern fernab von altbackener Romantik, dafür aber gespickt mit Sprachwitz, Ironie und einer scharfen Beobachtungsgabe. Im nächsten Augenblick trifft der Leser das lyrische Ich auf der Universitätsbibliothek in Innsbruck wieder, wo es auf dem Pissoir Südtiroler Studenten beim telephonieren zuhören muss, aber nicht ohne seinen tiefphilosophischen Kommentar von sich zu lassen.

So gespalten wie heute / war ich schon seit Wochen nicht mehr / es haut mir den Kopf auseinander / zumindest gedankenmäßig / auch das Gefühl ist gespalten / halb sollte ich aufhängen / halb ein Gedicht schreiben / was sagt eigentlich die Germanistik dazu / die als letzte Einheit seit Kopernikus / noch immer nicht gespalten ist ...

Helmuth Schönauers Lyrikband "Afterschock" ist Lyrik abseits vom sogenannten "Mainstream". Es sind die Texte eines scharfsichtigen Beobachters von Alltagserscheinungen, der mit sich selbst und der Welt mit gnadenlosem Witz ins Gericht geht und damit erst aufzeigt, was sich unter dem Teppich der heilen und schönen Welt meist verbirgt.

Ein Buch voll Sensibilität und Humor, für alle die offen sind für neues. Ein Buch das in alle Richtungen gelesen werden muss. Von vorne nach hinten und von oben nach unten. Aber wie gesagt: Das Nachbeben löst naturgemäß mehr Entsetzen aus als das Hauptbeben.

Helmuth Schönauer, Afterschock. Schwere HTML-Gedichte
Klagenfurt: Sisyphus-Verlag 2005, 112 Seiten, 14,00 €, ISBN 3-901960-31-7

Andreas Markt-Huter, 21-12-2005